bücher aus den charts : Das schnelle Glück
Ein Bestseller über einen Mann, der das Glück sucht? Bei einem solchen Buch kann es sich ja nur um Erbauungsliteratur der übelsten Sorte handeln, um ein Buch voller lyrischer Ergüsse und pseudophilosophischer Kalenderweisheiten. So zumindest das Vorurteil, das einem nun mal im Nacken sitzt, wenn man François Lelords „Hectors Reise“ aufschlägt.
Doch dann die Überraschung: Dieses kleine Büchlein, das man in zwei Stunden runtergelesen hat, ist in weiten Teilen gar nicht so schrecklich, und ab und zu muss man sogar lachen. Es beginnt schon mit seinem Helden, mit Hector. Eigentlich wäre es ja die Vorgabe eines Selbstfindungsbuchs, dass der Held am Anfang jeglichen Halt verloren hat. Nicht so der Psychiater Hector. Hector ist zwar ein bisschen müde – die vielen unglücklichen Patienten, die ewig gestresste Freundin. Aber im Grunde geht es ihm gar nicht schlecht, er hat genug Geld, ist gesund und wird geliebt. Das alles weiß er ganz genau und nimmt sich daher auch nicht allzu ernst, als er beschließt, mal einen Luftwechsel vorzunehmen.
Und auch Hectors nun einsetzende Suche nach dem Glück in Form einer kleinen Weltreise gestaltet sich bei François Lelord hübsch beiläufig und heiter. Hector hat sich also vorgenommen herumzukommen und seine neuen Erkenntnisse als kurze Lektionen übers Glück aufzuschreiben. Weil er nun aber nicht besonders pfiffig ist, tappt er sofort in die erste Falle, die sein erstes Reiseland zu bieten hat: Er verliebt sich in ein chinesisches Mädchen und erkennt erst nach der ersten Nacht, dass sie eine Prostituierte ist. Eine seiner ersten Lektionen lautet also: „Manchmal bedeutet Glück, etwas nicht zu begreifen.“ Ein paar Seiten später, Hector ist inzwischen in Afrika gelandet, findet er sich plötzlich in einem Kabuff wieder, das nach toter Ratte riecht. Er ist versehentlich Zeuge eines Autodiebstahls geworden und muss nun fürchten, von Gangstern umgebracht zu werden. Als er doch freigelassen wird, notiert er: „Glück ist, wenn man sich rundum lebendig fühlt.“
Mag sein, dass „Hectors Reise“ manchmal moralinsauer muffelt, es allzu politisch korrekt und globalisierungskritisch ist. Mag sein, dass man sich manchmal für dumm verkauft fühlt, wenn Lelords einfacher Sprachduktus in Babysprech kippt, wenn Amerika zum Beispiel ausschließlich als „Land mit den vielen Psychiatern“ bezeichnet wird. Trotzdem geht „Hectors Reise“ in Ordnung und stellt sich einmal gar clever selbst in Frage, als ein Mönch sagt: „Der erste größte Irrtum ist zu glauben, Glück wäre das Ziel!“
Kaum hat man also überrascht Zutrauen gefasst zu dieser beliebten therapeutischen Sorte Bestseller, da wird dieses schon wieder brutal zerstört. Der peruanische Autor Sergio Bambaren hat sich zwar mit Büchern wie „Der träumende Delphin“, „Der Strand für meine Träume“ und „Der träumende Leuchtturmwärter“ schon die Rente gesichert – aufhören kann er dennoch nicht: „Die Zeit der Sternschnuppen“, sein neuester Wurf, hat zwar die Materie gewechselt – Luft statt Wasser – aber, ganz recht: Es geht wieder ums Träumen und dass man es nicht verlernen soll. „Der kleine Prinz“ lässt grüßen. Die Geschichten handeln von Sonne, Mond und Sternen, verirrten Walbabys und sterbenden Nachtfaltern, und im Grunde braucht man nur die – kursiv gesetzten – Sinnsprüche zu lesen, um zu wissen, was hier verkauft wird: „Vor der Wirklichkeit kann man die Augen verschließen, aber vor Träumen nicht“, heißt es, oder: „Begreife, was du vor dir siehst, und das Verborgene wird dir offenbar werden.“ Begreif, was du da aufgeschlagen hast, denk an Paulo Coelho, schlag es wieder zu und lies etwas anderes.
SUSANNE MESSMER
François Lelord: „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“. Aus dem Französischen von Ralf Pannowitsch. Piper, München 2004, 186 Seiten, 16,90 Euro Sergio Bambaren: „Die Zeit der Sternschnuppen“. Aus dem Englischen von Clara Lind. Piper, München 2004, 150 Seiten, 12,90 Euro