buchbesprechung :
Yadé Kara: Selam Berlin
Er heißt Hasan Kazan und kommt ziemlich cool daher, der Protagonist in Yadé Karas Debütroman „Selam Berlin“. Geboren ist er in Kreuzberg, und hier ist er bis zu seinem 13. Lebensjahr aufgewachsen, dann jedoch beschlossen die Eltern, ihn und seinen Bruder Ediz in Istanbul auf die deutsche Schule zu schicken. Der Vater, ein Alt-68er, ist in Berlin geblieben, die Mutter ist mit den Kindern nach Istanbul gezogen. Dort beginnt der Roman im November 1989. Während im Fernsehen über den Fall der Berliner Mauer berichtet wird, träumt Hasan auf dem Sofa der Eltern von der langbeinigen Blondine, die neu an der deutschen Schule ist. Erst langsam realisiert er, wovon in den Nachrichten berichtet wird, dann aber weiß er sofort: Da muss er hin. Er ist neugierig auf das Leben in der Stadt seiner Kindheit, in der plötzlich Weltgeschichte geschrieben wird. Die 38-jährige Autorin Yadé Kara, die in der Türkei geboren und in Berlin aufgewachsen ist und hier nach verschiedenen Stationen in Istanbul, London und Hongkong zurzeit auch wieder lebt, lässt den Ich-Erzähler Hasan Kazan die Zeit des deutsch-deutschen Zusammenwachsens von der Maueröffnung bis zur Wiedervereinigung schildern. Es ist der Blick eines Berliner Türken, der durch den Vergleich zweier Kulturen eine geschärfte Wahrnehmung sowohl der Istanbuler als auch der Berliner Realität hat. Er ist 19 und sucht nach der Liebe, nach einem Job und einer Identität jenseits einer Bezeichnung als „Kanake“ in Deutschland und als „Almanci“ in der Türkei. Als er sich in die Fotografin Cora verliebt, ist er überzeugt, dass er in Berlin anders um sie werben muss, als er es in Istanbul täte: „Ein Taxi fuhr vorbei. Ich hielt es an und setzte mich rein. In Istanbul hätte ich in solch einer Situation ihr die Taxitür aufgehalten und ihre Geräte hinten verstaut. Aber in Berlin war es anders. Je weniger du redetest, desto interessanter warst du. Je schlechter du sie behandeltest, desto anziehender warst du.“ Als Hasan von Coras Lebensgefährten, dem Filmemacher Wolf, eine Rolle angeboten bekommt, ist es ihm zunächst egal, dass er einen Jungen aus Kreuzberg spielen soll, der seine Konflikte mit dem Messer löst, und er damit die Klischees in den Köpfen verfestigt. Doch die Begeisterung für die Filmwelt vergeht ihm in dem Moment, als sein Freund Kazim bei einem Überfall am Adenauerplatz von jugendlichen Rechtsradikalen schwer verletzt wird.
Möglich, dass „Selam Berlin“ eine Reaktion der Autorin auf den Tod des Türken Mete Eksi ist, der 1991 nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung im Alter von 19 Jahren starb und an den am Adenauerplatz ein Gedenkstein erinnert. Und so geht es in dem Buch trotz des saloppen Auftretens von Hasan Kazan, der Sprüche klopft und mit Vorliebe Gitanes raucht, auch um ernste Themen wie latente Ausländerfeindlichkeit und offenen Rassismus.
KATRIN SCHNEIDER
Yadé Kara: „Selam Berlin“, Diogenes 2003, 19,90 €