briefe:
Leasingpflege
„Charité: Pfleger aus Mexiko und Albanien“, taz vom 3. 5. 2018
Der Abdruck der dpa-Meldung lässt leider einiges im Verborgenen: Als langjähriger Pfleger auf einer Intensivstation der Charité weiß ich ein Lied von der prekären Arbeitssituation zu singen. Diese ist nicht einfach durch das Abwerben von günstigen Fachkräften aus Entwicklungsländern zu beheben – die übrigens in ihren Heimatländern Lücken hinterlassen und hier auch erst lang und umfangreich auf unseren höheren und komplexen Arbeitsstandard eingearbeitet werden und die Sprache lernen müssen.
Vielmehr sollten erst mal die Arbeitsbedingungen (Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsintensität) verbessert werden. Dann finden sich gewiss auch wieder Menschen, die in diesem Beruf arbeiten wollen. Denn der Pflegemarkt ist bei Weitem nicht „leer gefegt“, sondern wurde durch mangelnde Wertschätzung schlicht zerstört. Es gibt hier nämlich genügend bereits ausgebildete KrankenpflegerInnen, die jedoch aus ihrem Beruf durch die schlechten Arbeitsbedingungen vertrieben wurden – in die „gemütlichere“ Verwaltung & Forschung, ins fachfremde Studium, ins besser zahlende Ausland oder zu sogenannten Leasingfirmen.
Als eingekaufte „Leasing“-Pflegekraft kann man für etwa 1.000 Euro mehr im Monat (nach kurzer Übergangsfrist) auf seiner alten Station arbeiten – mit weniger Verantwortung und freiem Dienstplanwunsch ohne Wochenend- und Feiertagsdienste.
Bei uns arbeitet zurzeit pro Schicht inzwischen bis zu [3]/4 Leasingpersonal. Dieses arbeitet teils qualitativ sehr schlecht und höchst fragwürdig. Es wird minimalst in nur wenigen Minuten in die höchst komplexe Intensivstationsarbeit vor Ort eingewiesen. Einarbeitung für neues, eigenes Personal verläuft sonst in Begleitung bis zu acht Wochen lang.
Der Witz ist, dass diese wesentlich teureren Leiharbeitenden in der Krankenhausfinanzierung nicht als Personal laufen, sondern als Investition. Sie werden somit vom Land und nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Inwiefern der Einsatz von teuren Leasingkräften langfristig fehlende Investitionen in Material und Bau nach sich zieht, weiß ich nicht. Was für vermeidbare Fehler durch diese gesamte fragwürdige Arbeitsweise statistisch an den Patienten entsteht, weiß ich leider auch nicht, muss es aber leider jeden Tag erleben. Name ist der Redaktion bekannt
Zone 30 überall
„Dreißig ist das neue fünfzig“,
taz vom 9. 4. 18
Ich habe mit Interesse euren Beitrag unter dem Titel „30 ist das neue 50“ gelesen. Das Tempo in den Städten auf 30 km/h zu reduzieren, ist nur sinnvoll. Desto mehr bin ich entsetzt, dass in der Schivelbeiner Straße genau das Gegenteil passiert. Eine etablierte Zone 30 wird für die meisten Stunden des Tages sowie die Wochenenden abgeschafft. In der Straße gibt es viele Spielplätze und Kitas, und der BUND hat bei einer seiner letzten Messungen eine besonderes starke Belastung der Luft festgestellt.
Auf der „eigentlich“ für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Bornholmer Straße gilt nachts zum Schutz der Anwohner Tempo 30. Gut so! Aber warum gilt die gleiche Beschränkung nicht (mehr) für die viel schmalere Schivelbeiner Straße im Wohngebiet? Momentan und neu wird der Querungsverkehr abends und nachts geradezu ins Wohngebiet gelenkt.
Generell ist Zone 30 ein wichtiger Fortschritt für die Umwelt und die Lebensqualität in Innenstädten. Eine etablierte Zone 30 auf Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr einzuschränken, ist ein massiver Rückschritt. Wenn nachts dann auch noch die Ampeln abgeschaltet werden, wird die Straße endgültig zur Speedstrecke.
Ein Lob für die Berliner Verkehrspolitik hin zu Zone 30 finde ich wichtig. Wenn die guten Beispiele aus eurem Artikel wie in diesem Fall so massiv und absichtlich konterkariert werden, kann das positive Bild, das der Beitrag zeichnet, nicht unkommentiert stehen bleiben. Kerstin Ladiges, Berlin
Irgendwie egal
„Revolution verpflichtet“,
taz vom 2. 5. 18
Dass das 1.-Mai-Fest mit seiner Demo so runtergekommen ist, liegt daran, dass die Massen an Touristen eine Auflösung bewirken, indem sie alles mit ihrem Ballermannverhalten plätten. Ihnen scheint alles irgendwie egal zu sein. Mit solchen Leuten kann man nicht kämpfen. Lieber ein wenig Randale, auch wenn mir das Zerstören unseres Bezirks nicht gefällt! Doch seit den letzten Jahren gibt’s nur noch den scheinbar friedlichen, aber dafür wirklichen Untergang.
Eine Kreuzbergerin
taz.die tageszeitung Rudi-Dutschke-Str. 23 10969 Berlin briefe@taz.de www.taz.de
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.
Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
„Mitte dreht am Leihrad“,
taz.de vom 4. 5. 18
Fahrradinvasion
Invasion ist das richtige Wort. Hier in Friedrichshain werden die Räder wahllos, ohne mitzudenken, auf sowieso schon überfüllten Fußwegen abgestellt, zum Beispiel direkt auf abgesenkten Bordsteinen, sogar auf dem Radweg. 3 bis 10 Euro pro Tag pro Rad würde diese Invasion eventuell etwas eindämmen. Endlich versucht mal jemand dagegen anzukämpfen. Danke, Herr Dassel. Sixt8, taz.de
Probleme?
Probleme mit dem Radverkehr? Das kann doch gar nicht sein. Das Fahrrad ist doch gut. Oder in Massen dann doch nicht mehr? Leser77, taz.de
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