briefe:
Achtung: illegale Musiker!
Rassismus in der U-Bahn
Einen wunderschönen guten Tag, wir saßen zu fünft in der U 2 Richtung Potsdamer Platz kurz vor 12 Uhr am Sonntag, als folgende Durchsage kam. „In der U-Bahn befinden sich illegale Musiker. Bitte geben sie kein Geld und achten Sie auf Ihre Sachen.“ Mein Mann hat den U-Bahn-Fahrer daraufhin angesprochen, der seine Durchsage richtig fand und auf Anweisung handelte, wie dieser antwortete. Empörend. Vonka Klingner, Berlin
Klischee vom reichen Grunewälder
„Heraus zu Großeinsatz“, taz vom 27. 4. 18
Wenn Menschen aus aller Herren Länder und sogar Berlin-Kreuzberg eigens in deinen Stadtteil reisen, um lautstark ihren Neid zu bekunden, dann macht einen das schon ein wenig stolz. Man hat geschafft, denkt man sich, wovon diese anderen anscheinend träumen. Aber man weiß, dass das Klischee vom „reichen“ Grunewälder aus der Zeit von vor 1945 stammt und schon lange nicht mehr recht zutrifft. Denn wer lebt hier eigentlich? Diplomaten, die von Berufs wegen hier sein müssen, russische Exilanten, die ihre Ruhe haben wollen, Alte und Behinderte in ihren Heimen, ansonsten viel Kleinbürgertum.
Die wenigen wirklich Reichen, die hier einen Wohnsitz haben, werden die aufwendige Ehrung kaum zu würdigen wissen, da sie sich am langen Maiwochenende auf Sylt oder an der Cote aufhalten und allenfalls aus den Medien erfahren werden, was hier vorging. Falls es Schäden gibt, werden diese sich in den Bilanzen irgendwelcher Sachversicherungen niederschlagen, die ihrerseits aber auch ganz andere Katastrophen gewohnt sind. Viel Lärm um nichts also, aber immerhin ist mal was los, denkt sich der Grunewälder, betrachtet stoisch das Treiben vom Stammplatz in der Eisenbahnerkneipe Floh und schlürft dabei sein Weißbier. Michael Huber, Berlin
Gedenken an Jürgen Rattay
„Denkmal wurde ein Haufen Schutt“, taz vom 29. 11. 17
Kürzlich musste ich feststellen, dass die Gedenkplatte für Klaus-Jürgen Rattay in der Potsdamer Straße verschwunden ist. Das machte mich sehr betroffen. Seit 33 Jahren wohne ich um die Ecke am Bülowbogen und habe sehr oft an diesem Mahn-, und Trauerort gestanden.
Ich war selbst Anfang der 80er Jahre auf vielen Demos der Hausbesetzer und es ist somit auch ein Teil meiner persönlichen Lebensgeschichte geworden. Der sinnlose Tod von Klaus-Jürgen Rattay, der bei einer Polizeijagd auf Demonstranten unter einen Bus geriet, hatte uns alle damals erschüttert. Durch euren Artikel habe ich jetzt Gewissheit über diese unglaublich unsensible und unnötige „Abräumung“ des Gedenkkreuzes durch gedankenlose Bauarbeiter. Gern würde ich mich darum bemühen, dass diese schlichte Gedenkstätte wiederhergestellt wird. Dazu bedarf es ja nun nicht wirklich aufwändiger Mittel, denn der berührende Moment ging gerade von seiner einfachen und handgemachten Art aus, indem etwas Zement in sechs ausgehobene Pflastersteine gegossen wurde, die ein Kreuz bildeten.
Ich möchte gern bei dem nötigen Gang durch die Institutionen behilflich sein, um eine Wiederherstellung auf den Weg zu bringen. Traurige Grüße, Ahmed Kusserow, Berlin
„Sohn studiert – Vater investiert“
Koloniestraße 10 muss vielfältig bleiben!
Wir Mieter der Koloniestraße 10 im Wedding haben Stress wegen der neuen Eigentümer unseres Hauses. Die ZBI Invest Erlangen hat als Zwischenkäufer vor, Haus und Hof zu entmieten, um es an den Investor des Nachbargrundstücks zu verkaufen. Dessen Plan ist es, die historischen Remisenwohnungen, die Ateliers, die Tanzschule, Werkstätten und Bastelgaragen, den gesamten, mit Senatsmitteln begrünten Hof abzureißen, und mit profitablen Studentenapartments und einem Hostel zu bebauen. Viele Kündigungen sind bereits ausgesprochen, Betroffene haben Angst und ziehen aus. Einige der 40 Bewohner und Arbeiterinnen haben sich zusammengeschlossen und Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt. Doch Gewerbemietverträge genießen leider keinen Schutz. Dennoch werden wir uns weiter wehren, denn der kleine Hof ist Wohnraum, Arbeitsplatz, Treffpunkt, Lebensmittelpunkt. Ein grüner Fleck zwischen den hohen Häusern. Als alter Fuhrhof von 1880 auch ein Ort mit Historie.
Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer hat 2017 auf Bitten der Bewohner in einem Brief an die neuen Eigentümer an deren Verantwortung appelliert. Es kam keine Reaktion. Auf dem Nachbargrundstück wurden bereits die alten Fabrikhallen abgerissen, Studentenapartments errichtet und zum Verkauf angeboten (Ihr Slogan: „Sohn studiert – Vater investiert.“) Der geplanten Bebauung des Hofes Koloniestraße 10 steht der Bezirk kritisch gegenüber. Aber was kann man tun?
Es bedarf endlich einer Regulierung, die der Vertreibung aus Profitinteresse Einhalt gebietet. Auch Gewerbe braucht Kündigungsschutz, um die stetige Abwanderung des Handwerks zu verhindern. Es gilt weiterhin gemeinsam Mieter/innenproteste zu organisieren. Man kann versuchen, Häuser über Selbstkauf der Spekulation zu entziehen und in Genossenschaften einzugliedern. Leerstand wegen Spekulation muss geahndet werden. (Im Vorderhaus der Koloniestraße 10 steht ein Viertel der Wohnungen seit über zwei Jahren aus Spekulationsgründen leer).
Für eine lebenswerte Stadt! Mietergemeinschaft Kolonie10
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