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Archiv-Artikel

briefe an den präsidenten (4) Wenn ich höre, was dieser Krieg kostet, dann stehen mir die Haare unter meinem Schwesternschleier zu Berge

Am 2.11. ist Präsidentschaftswahl in den USA. Bush oder Kerry? Für viele US-amerikanische Künstler ist diese Frage zur Schicksalsfrage geworden. Das Junge Theater wird vom 27.10. bis zum 3.11. unter dem Titel „mad(e) in Amerika“ in der Schwankhalle amerikanische und deutsche Künstler präsentieren, die sich mit Politik und Kultur in den USA beschäftigen. Vorab haben das Junge Theater und die taz Menschen aus Kultur und Wirtschaft gebeten, an den amtierenden, zukünftigen oder idealen US-Präsidenten einen Brief zu schreiben. Heute: Schwester Judith Terheyden, eine Thuiner Franziskanerin. Sie arbeitet in den Gemeinden St. Pius und St. Benedikt.

Dear Mr. President!

„God bless You“, „God bless America“. Diese Worte gehen Ihnen leicht über die Lippen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob der liebe Gott eigentlich mit allem einverstanden ist, wofür Sie ihn in ihrer Politik vereinnahmen?

Für mich ist Gott das Synonym für Liebe und nicht für Krieg. Hass und Gewalt lassen sich niemals mit gleichen Mitteln bekämpfen. Im Gegenteil: Die Bibel empfiehlt uns, die andere Wange hinzuhalten, wenn wir geschlagen werden. Das sollten Sie als wiedererweckter Christ doch wissen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ich weine Saddam Hussein keine einzige Träne nach. Er war ein übler Tyrann und das irakische Volk kann froh sein, dass Sie es von ihm befreit haben. Und selbstverständlich muss man den Terror bekämpfen, wie er sich am 11. September äußerte.

Aber, wenn schon Krieg, dann denkt ein kluger Oberbefehlshaber doch wohl über den Krieg hinaus. Dass da einiges schiefgegangen ist, haben Sie endlich selbst zugegeben. Saddam Hussein sitzt da, wo er hingehört: Im Gefängnis, aber der Terror ist nicht bekämpft, sondern er hat durch Ihren Krieg erst so richtig Nahrung bekommen.

Ach, hätten Sie doch auf den Papst gehört. Der hat Sie vorher eindeutig ermahnt, den Krieg zu meiden: „Der Krieg ist niemals ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit“, diktierte er dem versammelten diplomatischen Korps beim Neujahrsempfang 2003 im Vatikan in die Notizblöcke und er meinte Sie.

Als Lösungsmittel gegen einen Krieg der Religionen empfahl er „den „ökumenischen Dialog zwischen Christen und respektvolle Kontakte mit den anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam“. Sie seien „das beste Mittel gegen Sektierertum, Fanatismus oder religiösen Terrorismus“.

Hat er nicht Recht behalten, Mr. President? Ein Blick in die Tagespresse zeigt es: Der tägliche Terror auf den Straßen von Faludscha, Nadschaf, Bagdad oder sonstwo hat nur das Leid der Menschen vergrößert.

Und wenn ich höre, was dieser Krieg schon gekostet hat und tagtäglich noch kostet, dann stehen mir die Haare unter meinem Schwesternschleier zu Berge.

Ich frage mich: Würden Sie die zig Milliarden auch so freigiebig zur Verfügung stellen, wenn es darum ginge, den Hunger und das Elend in der Welt zu bekämpfen oder AIDS in Afrika Einhalt zu gebieten?

Dear Mr. President! Ich könnte Ihnen noch eine Reihe anderer Projekte nennen, wo die Dollars besser angelegt wären, weil sie Leben retten und nicht den Tod bringen. Wie wäre es mit einem weltweiten Kampf gegen den Analphabetismus und für Bildung und wirtschaftlichen Fortschritt in den Ländern der so genannten Dritten Welt. Der wäre unter Umständen der erfolgreichste Kampf gegen den Terrorismus und der Mühe jedes Edlen wert, auch Ihrer. Mit überaus friedlichen, weil franziskanischen Grüßen verbleibe ich

Ihre Schwester Judith