brief des tages:
Deonym
„Man muss Facebook verbieten, man muss Google zerschlagen“, taz vom 9. 10. 21
Im poststalinistisch geprägten Sozialismus der DDR wurden neben der allmächtigen Partei SED existierende Parteien als quasi inexistent oder reine Formalie betrachtet, indem es statt „Die SED“ häufig „Die Partei“ hieß. Niemand fragte mehr: „Welche meinen Sie?“ So hat es die Firma Google durch ihre dominante Angebotspräsenz geschafft, dass wir heute trotz vorhandener Recherche-Alternativen für das Internetrecherchieren „googeln“ sagen, so, als ob wir „noch einen jevern gehen“ würden, wenn wir zusammen noch ein Bierchen trinken möchten. Das Fatale an dieser Vereinnahmung ist, dass es sich dabei nicht bloß um die ironisch gebrochene Frechheit einer Produktwerbung handelt, in der dann alle Produkte der Mitbewerber nicht zu existieren scheinen, sondern dass diese verbale Okkupation eines Gegenstands, einer Tätigkeit nicht erst seit Google zur Normalität unserer Alltagssprache gehört und damit tagtäglich die Macht derer verifiziert, deren totalitäres Ziel es ist, auf einem bestimmten Bereich nicht nur als im Grunde der einzige Akteur, sondern als dieser Bereich selbst zu gelten.
Wolfram Hasch, Berlin
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