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Am 14. Februar will das Bundeskabinett das neue Betriebsverfassungsgesetz verabschieden. Das hat Gerhard Schröder gestern, von seinem Krankenbett in Hannover aus, dem Parteipräsidium der SPD versprochen. Per Manuskript, schwarz auf weiß. Tunlichst vermied es Schröder sich festzulegen, ob es noch zu kleineren Korrekturen kommt.

Sein Appell an Gewerkschaften und Unternehmensverbände, keine Barrikaden aufzubauen, deutet aber in diese Richtung.

Kommentarvon SEVERIN WEILAND

Kritisiert wird besonders die Aufstockung der Betriebsräte von derzeit fünf auf sieben in Unternehmen mit 101 bis 150 Beschäftigten. Das sei mittelstandsfeindlich, weil es den Betrieben hohe Kosten aufbürde, meint der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller. Schon machen in Berlin Rücktrittsgerüchte die Runde.

Den achten Minister zu verlieren, das aber kann sich Schröder nicht leisten. Doch ebenso ist er auf die Unterstützung der Gewerkschaften angewiesen. Gegen den DGB und seine Einzelgewerkschaften kann nur eine bürgerlich-liberale Koalition regieren – aber nicht ein SPD-Kanzler, und zielt er noch so sehr auf die „neue Mitte“.

Ist Schröder mit seinem Engagement für gestärkte Betriebsräte aber wirklich so „standortfeindlich“, wie CDU und FDP behaupten? Oder zeigt er nicht sein Gespür für den Zeitgeist? Trotz Globalisierung und New Economy: Die meisten Menschen in diesem Lande – und das sind die abhängig Beschäftigten – wollen den rasanten Wirtschaftswandel nicht ohne Schutz über sich ergehen lassen.

Das dämmert auch den 20- bis 25-Jährigen, die mit einer 60- oder 70-Stunden-Woche in der Internet- und Computerbranche arbeiten. Nach der ersten Euphorie gelangen auch sie immer mehr zu der Erkenntnis, dass ihre Arbeitskraft von den Unternehmen nicht unbegrenzt ausgebeutet werden sollte. Und umgekehrt spüren auch manche Unternehmensleitungen, dass Regeln dem innerbetrieblichen Frieden dienen können.

Ob fünf oder sieben Betriebsräte – die genaue Zahl ist unerheblich. Viel einschneidender: Den Gewerkschaften ist es gelungen, den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes auszuweiten – etwa auf Tele- und Leiharbeiter und auch auf ausgegliederte Geschäftsbereiche.

So dürfte es am Ende Schröder nicht allzu schwer fallen, seinem Wirtschaftsminister pro forma entgegenzukommen. Zwischen fünf und sieben gibt es ja noch eine Zahl.

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