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■ betr.: „CSU: Dieses Bild bedroht Deutschland“, taz vom 20. 2. 97
Wer die Agitation des Großteils der bayerischen und Münchner CSU, besonders Herrn Gauweilers, gegen die Wehrmachtsausstellung des „Hamburger Instituts für Sozialforschung“ analysiert, dem fällt zunächst auf, daß eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Ausstellung unterbleibt. Wissenschaftliche Argumente gegen die Nachweise der Ausstellung, daß die Wehrmacht im Osten Komplizin des NS-Regimes war, beteiligt an Verbrechen an Juden, russischer Zivilbevölkerung, Kriegsgefangenen und Partisanen, fehlen. Bemühten sich Kritiker der Ausstellung bis vor kurzem noch um den Nachweis von gefälschten Bildern – was ihnen mißlang – so geht es jetzt dem Bayern-Kurier darum zu behaupten, daß Millionen Deutschen die Ehre abgesprochen werde, als ob die Ehre von Soldaten losgelöst von barbarischen Zielen, für die sie gekämpft haben, diskutiert werden könnte.
Es ist hier nicht der Ort, die Schuld des einzelnen Wehrmachtangehörigen zu untersuchen oder exakt zu orten – durch das Niederlegen eines Kranzes am Grabmahl des unbekannten Soldaten; allerdings wird einer Armee in toto ein Persilschein ausgestellt, der den einzelnen ausschließlich als Befehlsempfänger sieht und letztlich die Schuld nur ein paar Wenigen gibt, die ganz oben in der Wehrmacht oder der NS-Hierarchie standen, die Millionen Wähler der Nazis ebenso übersieht wie die breite Zustimmung vor und nach der Machtübernahme. Der Schulterschluß mit dem Rechtsradikalismus besteht darin, daß ein konsequenter Bruch mit der Vergangenheit vermieden wird.
[...] „Gauweiler hat unflätig polarisiert“, so meinte der Münchner CSU-Stadtrat Sven Thanheiser zu den Äußerungen des ehemaligen Umweltministers zur Wehrmachtausstellung. Zur innerparteilichen Strömungslage meinte Thanheiser: „Es stören sich sehr viele in unserer Partei an Gauweilers Äußerungen. Aber diese Leute sagen das nicht laut und organisieren sich nicht, weil sie zu feige sind.“
Ich frage die Beobachter: Wie sieht es um die politische Kultur einer Partei aus, deren einer Teil offen den Schulterschluß mit den Rechtsradikalen sucht und deren anderer zu feige ist, seine abweichende Meinung öffentlich zu äußern? Christian Schauer, 2. Vorsitzen-
der der Deutsch-Ausländischen
Gesellschaft Alzenau e. V.
Wenn es stimmt, „daß ein Krieg allgemein die Hemmschwelle senkt“ (Bayernkurier), dann muß sich die CSU zur Zeit im Zustand des totalen Kriegs mit der zivilisierten Welt befinden. Denn anders ist es wohl nicht zu erklären, daß sich die CSU so stürmisch völkisch gibt und mit Nazis in einem Harzburger Frontbündnis (Harburger Front, 1931 von NSDAP, DNVP und Stahlhelm begründet) Seite an Seite gegen die Ausstellung über die Wehrmachtsverbrechten polemisiert. [...] Dieter Weis, Estenfeld
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