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Archiv-Artikel

bernhard pötter über Kinder Innovationen aus Notwehr

Internet, Genomanalyse, Marssonden? Hier sind die Erfindungen, die wir wirklich brauchen

Zweimal in der Woche schläft Ingvar Kamprad schlecht. Meist so zwischen zwei und vier Uhr morgens verfluche ich nämlich den Gründer von Ikea und alle Möbelkonstrukteure, Bettendesigner und Innenarchitekten. Und zwar immer, wenn ich unsere schreiende Tochter aus dem Kinderbett hebe und mir dabei die immer gleichen Lendenwirbel verrenke. Könnten die Möbelbauer nicht mal ein Gitterbett entwerfen, bei dem sich die Matratze in Höhe meiner Hüfte und nicht in Höhe meiner Hühneraugen befindet?

Offenbar nicht. Sie ist damit beschäftigt, sechzehn verschiedene Namen für die gleiche Polstergarnitur zu erfinden. „So ein Bett will halt keiner haben“, sagt meine Frau Anna. „Oder es ist schon entwickelt worden und jetzt ein Ladenhüter, weil alle die Unfallgefahr fürchten.“

Das ist nicht der Pioniergeist, den wir brauchen, damit ein Ruck durch Deutschland geht. Was bleibt mir da noch? Resignation. Der Rückzug ins Private. Oder der Gang zum Patentamt.

Da steht man erst mal in der Schlange. 120.000 Patentanträge liegen derzeit in Deutschland auf Eis, klagt der Deutsche Erfinderverband. Bis eine Erfindung patentiert wird, vergehen drei bis vier Jahre. Das bremst uns Erfinder mit dem gewissen Etwas und mit etwas Gewissen, die aus Leidensdruck handeln. Denn meine Liste der dringend benötigten technologischen Durchbrüche ist inzwischen so lang, dass es für eine Nachwuchsförderung des Deutschen Erfinderverbandes reichen sollte.

Zuerst natürlich mein Bett „Wirbelfreund“. Ähnlich hoch wie ein Wickeltisch, mit einem Gitter aus bissfestem, heimischem Buchenholz. Gitter aufklappbar. Auf Wunsch auch mit Dachgitter lieferbar, um frühe Freeclimber abzuschrecken. Preis: 356 Euro ohne Matratze.

Dann die sensorgesteuerte Bettdecke „Kuschelkriech“. Für Kinder, die sich nachts dauernd freistrampeln. Die Decke stellt fest, wenn sie abgestreift ist, und breitet sich mit ihren 24 Schwebedüsen wieder über dem Kind aus. Preis: 129 Euro. Ohne Batterien.

Der automatisierte Schnuller „Mundziel“. Wird das Kind unruhig, weil es den Schnuller vermisst, meldet der sich per Summton. Preis: 15,90 Euro. Je nach Wunsch mit Erdbeer- oder Vanillegeschmack.

In Anlehnung an die elektronische Fußfessel bekommen meine Kinder einen Gürtel aus magnetischem Material. Stelle ich den handtaschengroßen, extrem starken Magneten unter die Bank am Kinderspielplatz und schalte ihn ein, können die Kleinen zwar frei herumlaufen, sich jedoch nicht weiter als 50 Meter entfernen. Dann halten meine Vaterliebe und der Supermagnet sie zurück. Preis: 49 Euro, nicht geeignet für Kinder mit Herzschrittmachern oder Hosenträgern.

Die Liste ist noch lang. So brauchen wir für Kleinkinder endlich den effektiven Nasenabsauger „Rotz-o-weg“ und einen selbstreinigenden Fußboden. Auch das biologisch abbaubare und auch sonst unbedenkliche Schlafgas „Traumstaub“ muss endlich auf den Markt. Dann sollte aus der Schafschur die ergonomisch vorbildliche Wickelfessel weiterentwickelt werden. Die kinderfreundliche Ampel „Raserstopp“ funktioniert wie ein Bahnübergang, allerdings mit massiven Betonschranken über der Fahrbahn. Und schließlich revolutionieren wirklich rutschfeste Fliesen an der Badewanne und im Schwimmbad das Feuchterlebnis (empfohlen von der deutschen Schädelhirntraumaliga).

„Träum weiter“, sagt unsere Freundin Julia. „Niemand wird so was entwickeln, nur weil du es willst.“ Aber die Erfahrung spricht dafür. Habe ich mir nicht als Kind gewünscht, ich könnte die Abenteuer von Winnetou auch sehen, wenn ich vor meinen Karl-May-Büchern und Schallplatten saß? Prompt kamen dann zum Ende meiner Kindheit die Videorecorder auf den Markt. Und wie oft haben wir beim Fußballspielen diskutiert, ob der Volleyschuss aufs Tor, das aus zwei Pullovern auf dem Boden bestand, Innen- oder Außenpfosten war. Und warum waren alle die Cowboys nicht tot, die ich mit meiner Silberbüchse erschossen hatte? Heute gibt es in jedem Kleingarten Fußballtore mit Netzen und Gotcha-Spiele, wo man per Farbklecks sieht, wer getroffen wurde.

Das Familienleben verändert den Blick auf wirklichen technischen Fortschritt. Als bahnbrechende Neuheit wurde im letzten Jahr auf der Erfindermesse in Nürnberg das „gnadenlose Bett“ präsentiert: Es kippt den Schläfer nach dem Weckerklingen sanft aus dem Bett. Wenn Sie Kinder haben, können Sie sich das Geld dafür allerdings sparen.

Fragen zu Erfindungen?kolumne@taz.de