berlinmusik: Simulierte Band
Angefangen hatte ja alles in den neunziger Jahren mit stotternden und hängenden CDs. Aus diesem von Hand bemalten oder anderweitig manipulierten Material gewannen Oval ihre Klänge, mit denen sie Musik ohne Instrumente im herkömmlichen Sinn machten.
„Systemisch“ oder „94 Diskont“ hießen die Alben, auf denen sie diesen Stil perfektionierten. Klassiker des Glitch, wie man das Musizieren mit Störgeräuschen und anderen digitalen Fehlinformationen nennt. Oval waren Pioniere dieser neuen Art von elektronischer Musik. Bis 1996 bestand das Projekt aus Markus Popp, Sebastian Oschatz und Frank Metzger. Danach machte Popp allein weiter.
Typisch für Popps Herangehensweise ist das Arbeiten mit Software, die er oft selbst programmiert. Wobei er in der jüngeren Vergangenheit auch auf kommerzielle Musiksoftware zurückgegriffen hat. Und sein Musizieren immer wieder in Frage gestellt hat. So nannte Popp sich selbst auch schon mal „akustischer Designer“, um nicht von sich als Musiker zu sprechen.
Für „Scis“, sein aktuelles Album, zu dem parallel die EP „Eksploio“ erscheint, hat sich der in Berlin lebende Produzent diesmal einen für ihn ungewohnten Ansatz gewählt. Auf der Platte denkt Popp über Clubmusik nach, programmiert Beats und die üblichen Loops, doch greift er jetzt zudem auf „echte“ Instrumente zurück. So stehen auf „Scis“ präpariertes Klavier, Saiteninstrumente und Holzbläser neben Klängen aus dem Computer.
Mit Musikern hatte Popp zwar schon auf dem Album „Calidostópia“ von 2013 gearbeitet, auf dem er seine elektronische Musik von brasilianischen Jazzern hatte interpretieren lassen. In den Stücken von „Scis“ geht es Popp allerdings um Fragen der Simulation, um die Ununterscheidbarkeit von akustischen und elektronischen Tönen.
Vergleicht man heutige Nummern wie „Robussy“ mit einem der frühen „Hits“, dem digital ruckelnden Ambient-Flirren von „Do while“ etwa, ist man schon überrascht, wie dicht und klanglich buntgemischt Oval inzwischen klingen. Und statt Stottern hört man etwas, bei dem man meint, einer Band von unklarer Besetzung beim Spielen zu lauschen. Das fließt immer noch, bloß eben wieder ganz anders. Postdigital womöglich?
Tim Caspar Boehme
Oval: „Scis“ (Thrill Jockey/Indigo)
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