berlinmusik: Stimmen übertragen
Große Wirkung mit scheinbar geringem Einsatz. So geht die in Berlin lebende Klangkünstlerin und Musikerin Jessica Ekomane auf ihrem Debütalbum „Multivocal“ vor. In bester minimalistischer Tradition sie eine regelmäßig fließende elektronische Tonfolge, verdoppelt sie und lässt beide im zeitlichen Abstand von einer Millisekunde langsam auseinanderlaufen. Daraus entstehen komplexe, Ohren, Geist und überhaupt den ganzen Körper verwirrende Muster, die sich ständig neu konfigurieren. Eine Vielfalt, aus der Wiederholung erzeugt, „Phasing“ genannt.
Dass die in Frankreich geborene Jessica Ekomane mit „Multivocal“ jetzt eine Platte veröffentlicht, ist insofern eine Besonderheit, als sie bisher vornehmlich mit Performances und Klanginstallationen in Erscheinung getreten ist. Die Räume, in denen sie diese Hirnverdrehungserfahrungen sonst erzeugt, muss man sich beim Tonträger zwar ein bisschen selbst hinzudenken, aber die Wirkung bleibt auch mit dem Wechsel ins Konservenmedium erhalten. Hypnose für dienliche Lebenslagen. Und reproduzierbar.
Ein weiteres erstes Album legt dieser Tage das Berliner Trio Contagious vor. Die Echtzeitmusikerinnen Andrea Neumann und Sabine Ercklentz haben sich mit der aus Japan stammenden DJ und Klangkünstlerin Mieko Suzuki zusammengetan, um gemeinsam ihre Erforschungen von Klang und Musizierpraxis zu erweitern. Die Pianistin Neumann am Innenpiano, das bloß aus Rahmen und Saiten besteht, und Ercklentz als Trompeterin arbeiten seit jeher mit diversen Ansätzen, um ihre Instrumente ganz anders zu spielen und zu Tonerzeugern zu machen, als man das in der Musikschule lernt. Hier verarbeitet mitunter Suzuki die Signale der beiden mit ihren Geräten oder steuert eigenes Material etwa vom Schallplattenspieler bei.
Aus dem vermeintlichen Chaos schälen sich immer wieder Momente von brummender Ruhe heraus. Und aus Ercklentz‘ Trompete kommen vereinzelt kleine Melodien. Um im nächsten Moment von heiserem Zischen abgelöst zu werden. Dicht wirkt das, gemütlich eher seltener, doch keinesfalls überwältigend lärmend oder einschüchternd. Vielmehr auf energische Weise die Synapsen kitzelnd. Tim Caspar Boehme
Jessica Ekomane: „Multivocal“ (Important)
Contagious: „Contagious“ (Morphine)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen