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berlinmusikLangsameSterne

Musik ist eine Angelegenheit des Raums. Mit Kopfhörern auf den Ohren wird das schnell mal vergessen. Die Klänge, aus denen sich die Musik zusammensetzt, bestehen jedoch nicht bloß aus regelmäßig schwingender Luft, sondern sie benötigt einen Raum, in dem sie schwingen kann. Im Verständnis des Berliner Komponisten Erhard Großkopf entsteht dabei im Idealfall ein neuer Raum aus der Musik selbst. Aus seiner Musik, um genau zu sein.

Großkopfs eigenes Credo dazu lautet: „Als Komponist bin ich wie ein Architekt, der ein Haus für die Musik baut und hofft, dass die Musik in dieses Haus einzieht – nicht wie der Inhalt in die Form, sondern wie der Geist in die Seele.“

Einen noch größeren Raum, nämlich einen Sternenhaufen in unserer Galaxie, umspannt seine für das Berliner Festival Maerz Musik geschriebene Komposition „Plejaden – sieben ähnliche Stücke für Klavier und Orchester“. Die im Jahr 2003 entstandene Aufnahme dieses Werks, gespielt von der Pianistin Ursula Oppens und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Vykintas Baltakas, ist jetzt mit einigem zeitlichen Abstand auf CD erschienen. Wie ja auch die Sterne meistens langsam ihre Bahnen ziehen.

Das Warten war jedenfalls nicht umsonst. Langsam bewegt sich ihrerseits die Musik in diesen sieben unbetitelten Stücken. Keine Minimal Music, aber eine der behutsamen Gesten und bevorzugt vereinzelten Klänge. Statt auf ein erkennbares Ziel hinzusteuern, wie man es bei einer Reise macht, scheinen diese Klänge eher umeinander zu kreisen und allmählich voneinander wegzutreiben, ins Offene.

Fast noch konsequenter gelingt Großkopf diese kaum merkliche Bewegung mit seiner nüchtern „KlangWerk 11“ bezeichneten Komposition für Orchester, die hier in einer Aufnahme vom Festival Ultraschall Berlin 2017 zu hören ist, diesmal interpretiert vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Johannes Kalitzke.

Großkopf spannt darin, wenn man so möchte, über die Dauer einer halben Stunde hinweg, einen Farbraum auf, der permanent changiert, neue Facetten oder Perspektiven offenbart. Mit Klängen, die sich scheinbar völlig selbst überlassen sind. Und denen man sich selbst nur allzu gern überlässt.Tim Caspar Boehme

Erhard Großkopf: „Plejaden/KlangWerk 11“ (Neos/Harmonia Mundi)

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