berliner szenen: Sommer, Sonne, Panik
Am Samstag feierte eine Freundin ihren Geburtstag an einem Badesee am Rande Berlins. Ein Picknick hatte sie vorbereitet. Es gab Nudelsalat, selbstgemachte Butter und Dips, Brot, Kekse, Kuchen, Eis, kalte Getränke, alles, was das von der Sonne erhitzte Herz begehrte. Die Stimmung war entspannt. Es wurde geredet, gebadet, gegessen, bis ich plötzlich aufschrie. Ein Insekt war in mein rechtes Ohr geflogen, so tief, dass man es weder sehen noch herausziehen konnte. Ich spürte nur den Flügelschlag und den Versuch des Tieres, immer weiter in meinen Gehörgang zu dringen, auch wenn es wahrscheinlich nur wieder raus wollte. Es war nicht nur furchtbar unangenehm, ich hatte auch Panik, dass es sich um eine Wespe oder Biene handeln könnte, die mich gleich im Ohr stechen würde. Ich stellte mir vor, wie mein ganzer Gehörgang, nein, mein ganzes Gehirn anschwellen würde, zumal erst vor wenigen Minuten mein Freund von einer Wespe in den Zeh gestochen worden war. Mir kam in diesem Moment auch mein Geburtstag vor zwei Jahren in den Sinn, den ich mit einer Hand, so dick wie ein Tennisball, verbrachte, weil ich von einer Biene gestochen worden war. Da ich nun wie verrückt gegen mein Ohr schlug, waren auch andere Badegäste auf mich aufmerksam geworden. Während ein Freund schon den Notarzt rief, kam eine Frau auf mich zu, die sich als Rettungsassistentin ausgab. Sie versuchte, mich zu beruhigen, was nur so semigut klappte.
„Vielleicht ist es schon längst rausgeflogen“, meinte mein Freund, als er mit seiner Handytaschenlampe in mein Ohr leuchtete, aber nichts sah. „Ich bilde mir das doch nicht nur ein“, schrie ich leicht panisch. Etwa eine Minute später lag das Tier plötzlich vor mir im Gras: Es war ein grüner Käfer. Ein harmloser Schwefelkäfer, wie eine kurze Internetrecherche ergab. Der Notarzt wurde abbestellt.
Eva Müller-Foell
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