berliner szenen: Kennst duHiddenAuthors?
Kannst du dich noch an das Phänomen der Hidden Tracks auf CDs in den 90ern erinnern?“, fragt Maral. Ich nicke. „Songs, die nach drei Minuten zu Ende waren, aber in der Anzeige des CD-Players sah man, dass der Track elf Minuten lang war. Aus den Lautsprechern kam nichts, Stille, Nirwana. Doch wenn man lange genug durchhielt, ging es bei Minute acht oder neun wieder los.“
Wir sitzen im Biergarten der Brotfabrik und trinken Rhabarberlimonade. Gleich liest in der Galerie eine befreundete Autorin. „Einen ähnlichen Trend gibt es jetzt auf Instagram unter scheuen Autor*innen“, sagt Maral. „Scheue Autor*innen?“ „Die, die bei Social Media nicht Hurra! schreien aus Gründen aber trotzdem mitmachen.“ „Verstehe. Und was machen die?“ „Karussellposts.“ „Jaaa“, sage ich. Und ziehe das a so lang, dass es wie eine Frage klingt. „Erst ein Bild mit Text“, fährt Maral fort. „Ein Gedicht. Oder ein Textauszug. Können auch drei oder vier Textslides sein. Und dahinter sechs Slides, die einfarbig sind. Rot, orange, gelb, grün, dunkelblau, lila. Zusammen ergeben sie die Regenbogenfarben. So subtil, dass es keinem auffällt. Würde sogar Julia Klöckner aus ihrem Bundestagsbüro heraus liken. Auf dem letzten Slide, den sich sowieso niemand mehr anschaut, ist ein Autor*innenfoto versteckt. Für den Algorithmus.“
„Hidden Authors“, sage ich. „Sie wollen mit ihren Texten Aufmerksamkeit erregen, nicht mit ihren Gesichtern oder Frisuren.“ „Klingt sympathisch.“ „Ich nenne dir jetzt keine Namen“, sagt Maral. „Das wäre zu einfach. Du findest sie auch so.“ „Schnitzeljagd-Vibes, sehr schön. Ich hab schon so eine Idee, bei welchen Accounts ich schauen muss.“
Maral deutet nach drinnen. „Ich glaube, es geht los.“ Wir stehen auf und gehen mit unseren Rhabarberlimonadenflaschen rein zur Lesung.
Daniel Klaus
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