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berliner szenenUnfinished business am Platz

Der Dieb hat Gewissen“, mutmaßt E., als G. die Geschichte von seinem Fahrradklau erzählt. W. will sie nicht so recht glauben. „Schlapper Dieb“, sagt er und schüttelt den Kopf. Die Geschichte ist keine dieser klassischen Berliner Erzählungen, auch wenn es anfangs so scheint.

„Von wegen 5 Minuten nicht hingeguckt“, G. feixt. Er erzählt, wie er aus der Haustür tritt, hinter der J. steht, sein Bruder. Wie sie reden und erst mal gar nichts auffällt. Wie G. sogar hinübergeht zum Rad, zwei Meter links von der Tür. Nur, dass ihm nicht auffällt, dass offensichtlich etwas fehlt. „Unaufmerksamkeitsblindheit heißt das, oder so“, erzählt er. Er hat das im Anschluss gegoogelt. „Ist so“, sagt G. und schmückt vielleicht ein bisschen zu sehr aus, wie er die Hand ausstreckt und ins Leere greift. Er macht auch sein erstauntes Gesicht nach, als er am Boden den Teil vom Zahlenschloss findet, in den der Zahlencode reingedreht wird. Sauber aufgebrochen. Aber sonst nichts. „Ein schönes Fahrrad, grau mit grün, richtig schick“, sagt G. Ob er dann die Polizei gerufen hat und gleich die Versicherung, will W. wissen. „Nö“, antwortet G. „Das war gar nicht nötig.“

Als er und J. nämlich suchend nach Spuren über den Hof gelaufen sind, stand knapp 10 Meter weiter um eine Ecke herum das Fahrrad. An eine Hauswand gelehnt. „Hab ich auch erst nicht gesehen“, lacht G. Er hat sich jedenfalls direkt auf eben dieses Rad geschwungen und ist zu uns gefahren, um die Geschichte zu erzählen: „Seht ihr, da steht’s.“ W. scheint unzufrieden. „Ach, der hat das Ding doch einfach nicht über den Zaun gekriegt“, mault er. G. legt einen Zeigefinger ans Kinn. „Oder, dem ging’s gar nicht ums Rad. Wisst ihr, was tatsächlich verschwunden ist?“ Wir gucken. „Das Schloss“, sagt er. „Es hatte auch die gleiche Farbe wie das Fahrrad.“

Klaus Esterluß

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