berliner szenen: Coworking mit Vielbeinern
Es ist schon wieder die Zeit gekommen, in der ich mit der Sonne im Gesicht aufwache und sie beim Kaffeetrinken im Bett genießen kann.
Auch auf dem Balkon scheint sie. Die Vögel zwitschern, die Tauben gurren – das ist für mich der Soundtrack des Sommers. Dazu hört jemand Radio, jemand unterhält sich, jemand schüttelt jeden Tag die Bettwäsche aus. Alle Fenster und Türen sind geöffnet.
Die Wespen drehen eine Runde durch mein Wohnzimmer, das zu dieser Zeit immer minimalistischer wirkt, weil die Pflanzen, die im Haus überwintern, alle schon draußen sind. Nach ihrer Runde fliegen sie entweder von selbst wieder hinaus oder ich jage ihnen hinterher. Die Ameisen machen ihren Weg hin und her auf der Blumenbank und ich beobachte, was sie mitnehmen – Brotkrümel, andere Essensreste … Am liebsten schaue ich zu, wenn sie ein Stück nicht alleine tragen können und sich Hilfe holen – dann transportieren sie es zu zweit, als würde es sich um einen Schrank auf den Straßen von Neukölln handeln.
Es riecht nach Kaffee, Toastbrot, Duschgel, frisch gegossenen Pflanzen, gebratener Zwiebel. Und nach meiner eigenen Sonnencreme, denn ohne sie, könnte ich nicht stundenlang auf dem Balkon arbeiten. Ich nenne es für mich „Balkon-Office“ – aber vielleicht sollte ich es Coworking-Space nennen, weil wir alle da fleißig sind.
Nur die Fruchtfliegen sind noch nicht hier, doch es wird nicht lange dauern, bis sie auftauchen und anfangen, mich jeden Tag zu nerven. Auch die kleinen Spinnen, die ihre Netze von Pflanze zu Pflanze bauen und gegen die ich schon alles ausprobiert habe, sind pünktlich wieder da und nerven mich. Aber im Ganzen leben wir alle in friedlicher Koexistenz – und ich freue mich jetzt schon auf die Saison, die vor uns liegt.
Luciana Ferrando
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