berliner szenen: Ist doch nicht gut gegangen
Ein Mann mit Cap, vielen Fantasy-Tattoos und in Badeschlappen etwas vor mir in der Schlange beim Eisstand: „Is ja richtich günstig hier, nur 2,50 die Kugel. Da is’man bei 4 Kugeln schon mit 10 Euro dabei.“ Er guckt drei Jungs an, die bei ihm stehen. Sie sehen schon so aus, als befürchten sie, wieder aus der Schlange treten zu müssen. „Jungs, ihr könnt euch jeder eine Kugel aussuchen, aber immer ’ne andere, damit jeder mal bei jedem probieren kann.“
Eine Frau mit roter Handtasche und Jeansjacke direkt vor mir in der Schlange sieht die Kinder an und sagt: „Na, wenn das mal gut geht …“ Der Vater bestimmt: „Das geht gut.“
Die Kinder fangen direkt an zu streiten, wer jetzt Schokolade und wer Vanille wählen darf. Die Frau sieht den Mann mit einem Blick an, der sagt „Was hab ich gesagt?“. Dann ruft sie: „Kinder, ich spendier eine zweite Kugel.“ Die Kinder halten inne, sehen die Frau an, dann den Vater. Der runzelt die Stirn: „Nee, nee, nee kommt gar nicht infrage!“ Die Frau etwas ungeduldig: „Lassen Sie mich doch. Ich kann mein Eis sonst nicht genießen, wenn sich alle streiten.“
Der Vater sieht die Kinder an, dann sagt er: „Na, also, wenn ich Sie nicht abhalten kann.“ Man sieht, es fällt ihm schwer. Die Frau kramt in ihrer Tasche: „Nee, ich brauch meine Ruhe!“ Die Kinder erzählen ihr daraufhin freudig, welche zwei Eissorten sie sich aussuchen. Sie unterhält sich über Cookies und Joghurt mit den Kindern. Das sind ihre Lieblingssorten. Der Vater gibt ihr einen Zehneuroschein und die Frau sagt, als sie dran sind: „Ich zahle das alles.“
Alle bekommen ihr Eis und als sie gehen, höre ich den größten Jungen: „Das war nett von der Frau, ne?“ Und dann nachdenklich: „Schade, dass Oma und Mama nicht dabei waren. Sonst hätten die auch noch ein Eis bekommen.“ Isobel Markus
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