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berliner szenenHeute ist alles komisch

Es liegt nicht am Sonnenschein, den wir zu dieser Zeit nur noch als Ausnahme kennen und deshalb das Gefühl haben, im Urlaub zu sein. Kurz glauben wir, uns in einem Land zu befinden, in dem die Sonne unabhängig von der Jahreszeit strahlt und die Menschen sich immer draußen aufhalten. An diesem Nachmittag im Februar scheint in der Körtestraße die Sonne. Und da sind Menschen, die mit geschlossenen Augen den Blick zum Himmel richten, einen warmen Becher zwischen den Händen halten und Atemwolken oder Rauchringe in die Luft schicken. Aber daran liegt es auch nicht. Ebenfalls nicht an den spielenden Kindern oder den zwitschernden Vögeln.

„Siehst du das auch?“, fragt E. Vor einem Optikgeschäft wartet ein älterer Herr mit Hut. Er passt perfekt zu dem Schild „OPTIK“ mit den roten Vintage-Buchstaben. Einige Meter weiter begegnet uns ein ähnliches Bild: Vor einer Buchhandlung, über der ebenso ein Schild hängt, betrachtet eine Frau die Bücher im Schaufenster. Ihr Mantel und ihre Handtasche scheinen aus den 60er Jahren zu stammen. Es ist, als würden wir alte Zeitschriften durchblättern. Die Farben wirken intensiv und zugleich irreal.

In einem vollen Café finden wir einen freien Platz, von dem aus wir die Passanten gut beobachten können. Wir zählen (mit mir) fünf Gehstützen-Träger*innen und entdecken als Nächstes die Öffnungszeiten. Am Dienstag zum Beispiel ist der Laden von 8.29 bis 18.02 Uhr geöffnet, während am Samstag um 17.57 Uhr der Feierabend angekündigt ist. An einem Baum vor der Tür gibt es die nächste Kuriosität. „Missing“ steht auf einem Zettel, darunter das Foto eines Autoreifens, die Optionen zum Abreißen lauten „you“, „a lot“, „every day“.

Auf dem Weg zum Südstern stellen wir fest, dass heute alles komisch ist. Woran das liegt, bleibt uns ein Rätsel. Luciana Ferrando

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