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berliner szenenDer Bruch der Knochen verbindet

Ich habe keine Zeit, mich von Frau F., meiner Zimmernachbarin, ordentlich zu verabschieden. Die Sa­ni­tä­te­r*in­nen sind auf einmal da, überpünktlich, der Krankentransport wartet bereits vor der Krankenhaustür auf mich. Ich wünsche Frau F. also ganz schnell alles Gute für ihre Schulter-OP, suche meine Klamotten zusammen und werde im Rollstuhl hinaus zum Aufzug geschoben. Meine Freundin läuft uns hinterher und fährt mit.

Er sei genauso alt wie ich, verrät mir der Sanitäter, als wir losfahren, nachdem er sich meine Daten im Formular angeschaut hat. „Was haben Sie angestellt?“, fragt er mich und zeigt auf mein Bein. Ich erzähle (noch einmal) von meinem Unfall, dem Kreuzbandriss und der Knie-OP.

Dann fängt er an, ebenso von all seinen Operationen zu berichten. Er zählt auf: Titan im Ellbogen – was am Flughafen für Probleme sorgt, Schrauben und Implantate im Knie „und so weiter und so fort“.

Dann schweigen wir und gucken durch den Teil des Fensters, der nicht aus Milchglas besteht, in den Himmel hinein. Nach Tagen voller Schneefall ist er plötzlich blau, und die Sonne scheint, wie sie das schon lange nicht mehr getan hat. Von vorne dringt gedämpft das Gespräch der Fahrerin und meiner Freundin zu uns, ich kann jedoch nichts verstehen. Was ich hingegen zu erkennen glaube, ist, dass wir auf der Autobahn A1 sind. Dann sehe ich die Dächer der Hermannstraße. Der Sanitäter bestätigt es und fügt hinzu: „Ich bin in Neukölln groß geworden.“

Gleich sind wir bei mir. Ich unterschreibe Unterlagen als Beweis, dass ich „am Leben“ angekommen bin, und die beiden tragen mich drei Stockwerke nach oben. Endlich bin ich zu Hause. „Tschüss! Und meiden Sie Krankenhäuser“, sagt der Sanitäter beim Gehen und zwinkert mir zu.

Luciana Ferrando

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