berliner szenen: Die Flaschen und ein Gin Tonic
Vor der Bar in Neukölln schneegraupelt es in weichen, großen Flocken, die in und zwischen leere abgestellte Flaschen und Gläser auf einem wackligen Tisch fallen. Ich stehe mit ein paar rauchenden Leuten draußen und fröne dem Passivrauchen. Schließlich habe ich vor sieben Monaten aufgehört, aber Rauch rieche ich immer noch gern.
Ein Mann mit einer großen gelben Tasche kommt und will die Flaschen einsammeln, als der Barkeeper mit einem Tablett aus der Tür tritt, um sie abzuräumen. Die beiden wechseln einen Blick. Der Flaschensammler ist schon älter, sein Haar hängt zottig ins Gesicht und geht direkt in den Bart über. Der Barkeeper ist muskulös, tätowiert und ziemlich haarlos. Jetzt sagt er: „Ich nehm’die Gläser und lass dir die Flaschen, okay?“
„Danke“, sagt der Flaschenmann und beginnt, die Flaschen einzustecken, während der Barmann die Gläser aufs Tablett stellt. Dabei guckt der Flaschenmann durch die Scheibe nach drinnen und fragt: „Was kost’n Gin Tonic bei euch so?“
„Ab 9 Euro“, sagt der Barmann. „Je nachdem mit welchem Gin.“ Der Flaschenmann überlegt, dann sagt er: „Ich kauf’einen.“ Der Barmann sieht auf die große gelbe Tasche: „Aber die musst du draußen lassen. Ist zu voll heute.“ Der Flaschenmann guckt auf die Tasche und noch mal durch das Fenster: „Aber dann ist die weg.“ Der Barmann seufzt: „Dann gib her, ich stell sie solange nach hinten zu mir.“ Der alte Mann lächelt, folgt uns und dem Barmann nach drinnen, setzt sich auf einen Hocker an die Bar, aber will sich partout nicht einladen lassen. Er zählt die 9 Euro auf den Tisch und murmelt: „Das lass’ich mir heute was kosten.“
Einen Euro wirft er in das Glas für Trinkgeld. Dann trinkt er den Gin Tonic in kleinen Schlucken und sieht ziemlich zufrieden dabei aus. Isobel Markus
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