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berliner szenenNeukölln, früh am Morgen

Zwei Taxifahrer unterhalten sich vor dem Hotel Mercure. Hinter ihnen leuchten zwei Schilder in Rot: „Rewe“ vom Supermarkt und „Kino“ von den Rollberg-Kinos. Es ist 6.30 Uhr an einem Samstag im Januar. Noch ist es dunkel, als wäre es mitten in der Nacht.

Zwei Frauen rauchen mit gekreuzten Armen vor der Tür des Hotels, zitternd in ihren dünnen Klamotten – wahrscheinlich arbeiten sie dort und müssen ohnehin bald wieder rein. Der Geruch der Zigaretten weckt die Erinnerung daran, wie es war, so früh zu rauchen, ein bisschen ekelig. Doch das vergesse ich spätestens, als ich die Hermannstraße erreiche: Dort duftet es nach frisch gebackenem Brot aus der Hipster-Bäckerei um die Ecke. Einige Stunden später wird sich eine Schlange vor der Tür bilden. Ich weiß das, weil ich die oft auf meinem Weg zum Tempelhofer Feld sehe – vor allem am Wochenende.

Zu dieser Uhrzeit aber ist Neukölln ziemlich leer und still, und ich mag das Gefühl, die Straße für mich zu haben. Nur einem Pärchen begegne ich, das offenbar noch von einer Party kommt: Mit Bierglas in der Hand wanken sie die große Straße entlang, küssen sich ab und zu und lachen. Die meisten Läden sind noch geschlossen, aber bei manchen brennt bereits Licht.

Diejenigen, die dort arbeiten, bereiten alles vor: Tische und Stühle werden in Cafés aufgestellt, die Waren vor den Supermärkten aufgebaut. Auf den Gehsteigen liegen alte Weihnachtsbäume, gestrandt wie Wale am Meeresufer.

Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, bis zur S-Bahn-Station Hermannstraße zu laufen, anstatt die U8 zu nehmen, denke ich. Ich hätte das alles sonst verpasst.

Die wenigen Fahrgäste in meinem Wagen in Richtung Südkreuz sind ebenfalls still. Ich schaue aus dem Fenster, wie es draußen langsam hell wird. Luciana Ferrando

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