berliner szenen: Kompetente Nachbarn von Vorteil
Tocktock, ringring. Ich klopfe und klingele. Kein Zeichen. Der Schlüssel steckt von innen. Kann eine 70-Jährige so tief schlafen? Oder so schlecht hören? Der Nachbar, der in Boxershorts den Kopf rausstreckt, um zu sehen, warum ich so einen Krach mache, ist sich genauso unsicher wie ich. Also gehe ich nochmal eine Runde spazieren. Als die Nachrichten und Anrufe aber auch zwei Stunden später unbeantwortet bleiben, klingle und klopfe ich erneut. Der Nachbar streckt wieder den Kopf zur Tür raus. Ich erzähle ihm, weshalb ich so besorgt gegen die Tür hämmere.
Er fragt: „Soll ich sie eintreten?“ Kurz zögere ich. Eine kaputte Tür an einem Sonntag ist nicht lustig. Ein Notfall aber natürlich noch weniger. Ich nicke. Er tritt in den Hausflur, lockert langsam sein Bein und meint dann: „Scheiße, meine Knie sind komplett im Arsch.“ Ich frage unsicher: „Soll ich es versuchen?“ Er schüttelt den Kopf und tritt einmal mit voller Wucht zu. Die Wohnungstür öffnet sich. Ich renne rein und öffne die Tür zum Wohnzimmer. Da liegt sie auf dem Boden, das Gesicht unten, die Beine und Füße von sich gestreckt. Sie reagiert auf nichts. Ich will schreien. Stattdessen rufe ich den Notruf an und flüstere ihr immer wieder zu: „Alles wird gut, ich bin ja da“, eher, um mich selbst zu beruhigen.
Nach drei Minuten höre ich das Tatütata des Krankenwagens. Noch nie zuvor hat mich das Geräusch so beruhigt. Der Nachbar guckt durch die noch offenstehende Tür. Ich bedeute ihm mit einer Geste, zu gehen. Er lehnt die Tür an. Erst nachdem die Rettungssanitäter die Vitalparameter genommen und den Transport vorbereitet haben, fällt mir die kaputte Tür wieder ein. Einer der Sanitäter meint: „Klingeln Sie doch bei dem Nachbarn. Der hat die Tür aufbekommen. Der kriegt den Rahmen auch wieder hin.“
Eva-Lena Lörzer
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen