berliner szenen: Die Waffen alter Damen
Trotz kühler Außentemperaturen stehen zwei alte Damen um 22 Uhr im Außenbereich des Wellnesspools eines Spas, machen Aquagymnastik und unterhalten sich. Ich schwimme um sie herum und schnappe immer wieder Wortfetzen auf. Mit einem Mal kreischt eine der beiden. Ich sehe mich um. In dem Moment taucht ein junger Muskelprotz zwischen den Damen auf, schiebt sie mit den Armen zur Seite und schreit: „Ihr steht im Weg!“ Die beiden zittern. Die eine ruft entrüstet: „Wir haben Sie nicht kommen sehen!“ Er schnaubt: „Geht einfach aus dem Weg!“ Ich versuche ihn zu beschwichtigen: „Du redest mit älteren Damen…“ Er faucht: „Mit Bekloppten. Man steht nicht mitten im Pool.“ Die Damen blicken empört zu mir: „Haben Sie das alles gesehen?“ Ich nicke und meine: „Er hätte wirklich ausweichen können.“
Der Typ springt aus dem Pool. Die beiden funkeln ihm wütend hinterher. Dann meint die eine: „Wegen solchen Kerlen habe ich sonst immer Pfefferspray dabei.“ Die andere erklärt: „Pfefferspray ist mir nichts. Da hätte ich Angst, wegen Körperverletzung angezeigt zu werden.“ Und erzählt dann, sie habe von ihrem Mann eine Waffe geerbt: „Also eine richtige. Mit Munition und allem. Die stammte von seinem Bruder. Der war Jäger. Mein Mann hatte keinen Waffenschein.“ Wir sehen sie groß an: „Und?“ Sie genießt die Aufmerksamkeit sichtbar und schweigt. Dann fragt sie: „Sagen Sie mir bitte: „Was macht man mit so einer Waffe?“ Ich tippe auf eine Abgabe im Fundbüro. Die Waffenerbin tippt sich an die Stirn: „Unsinn. Wir hätten die Waffe doch nicht bei uns in der Wohnung haben dürfen. Und ich kann nicht lügen.“ Sie lächelt verschmitzt: „Ich bin Pazifistin. Deswegen habe ich sie in einem verschlossenen Kasten in die Havel geschmissen, damit kein Mistkerl sie in die Hände bekommt.“ Eva-Lena Lörzer
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