berliner szenen: Ist fast alles so wie immer
Oh, eine Einschränkung!“, sagt eine grauhaarige Frau am Teich in der Hasenheide, als würde sie „Oh, ein Schmetterling!“ sagen wollen und zeigt auf die Orthese um mein rechtes Bein. Ich lache. „Was ist passiert?“, fragt sie. „Kreuzbandriss“, kläre ich sie auf. „Ohh …“ Ihr Mann erzählt mir dann von seinen Knieproblemen – etwas mit Flüssigkeiten, worüber ich nicht allzu viel hören will.
Die beiden haben dort trainiert, sie schieben ihre Räder, wirken frisch, zufrieden und bereit für ihren morgendlichen Kaffee. „Das ist wie eine Strafe, oder?“, fährt die Frau fort. Der Mann ergänzt: „Ja, aber Geduld zu lernen ist wie eine Belohnung.“ Dafür bin ich ihm dankbar. Ich nicke ihm zu.
Als sie weg sind, nehme ich meine Hanteln aus der Tasche und beginne ebenfalls mit meinem Training – nur Übungen für die Arme, das Einzige, was ich nach dem Unfall trainieren darf. Ich höre Musik, die Sonne scheint, Schwäne schwimmen; es ist schön, den Tag so zu beginnen, auch wenn ich lieber im Park joggen gehen würde.
Dann kommt G. vorbei, nur um kurz Hallo zu sagen. Sie war schon auf dem Weg zu einer Verabredung, als sie meine Nachricht mit meinem Standort gelesen hat. „Was hast du gemacht?“, fragt sie, wie so viele, die sich wundern, warum ich so oft Unfälle mit dem Rad habe, und wissen möchten, was ich damit treibe. Ich zucke mit den Schultern und sie wird weich. Sie umarmt mich und es fühlt sich warm an, das Wasser glitzert, eine Brise bewegt die Baumblätter. „Alles wird gut“, sagt sie, „pass auf dich auf.“
Dann verschwindet sie, als wäre sie nie da gewesen, als hätte ich das geträumt. Gleich kommen einige Meisen und Eichhörnchen und fangen an, Nüsse aus meinen Händen zu essen, alles fast so wie immer, eigentlich.
Luciana Ferrando
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