berliner szenen: Väter verderben den Spaß
M hat einen gelben Campervan. Auf den Türen ist noch das Logo des Vorbesitzers, einer Tischlerei, mit Telefonnummer und allem. M. sagt, das sei ein guter Trick, das Logo einfach stehen zu lassen. S. kommt auf seinem ferrariroten E-Bike angefahren. Die Batterie ist sehr elegant in den Rahmen eingelassen, zum Aufladen steckt man einen Stecker rein. Mit dem knallroten Rad, dem grasgrünen Hemd und dem polarblauen Helm ist S. im Straßenverkehr gut zu sehen. Wir reden über den Preis von E-Bikes und Gästevignetten zum Parken, aber das führt zu nichts. Dann stehen wir auf dem ehemaligen Mühlenberg, dem Wasserturmplatz, von wo aus die Leute unten in der Tiefstadt früher mit frischem Wasser versorgt wurden.
Über uns fliegt ein Ziervogel hinweg, ein Nymphensittich oder so, und S. erzählt, der Plan sei, nächstes Jahr nach Wuppertal umzuziehen. In Wuppertal gebe es die Schwebebahn, übrigens schon seit 1901, jede Menge Naherholungsgebiete und tolle Architektur. Außerdem sei man ruckzuck in den Niederlanden. Mir gefällt die Idee, besser jedenfalls als die mit der Datsche in Brandenburg.
Während wir reden, gucken wir den Kindern beim Bolzen zu. Zum Glück spielen heute keine Väter mit. Die Väter verderben den Kindern den ganzen Spaß. S., der sich mit Jugendkultur auskennt, deutet auf ein Tag auf einer Mauer, daneben steht mit Filzstift Boy George und Culture Club, und ich denke, das kommt davon, wenn die Väter die Kinder nicht allein bolzen lassen. Als wir schon gehen wollen, passiert noch Folgendes: Drei junge Frauen zeigen ganz aufgeregt ins Gebüsch. Was denn los sei, wollen wir wissen, vielleicht der Nymphensittich? Nee, da im Gebüsch habe ein Influencer einen teuren Pullover versteckt, den müssten sie jetzt ganz dringend finden.
Sascha Josuweit
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen