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berliner szenenFast wie in der „Truman Show“

Vor einem Jahr kannten mich alle in meinem Kiez. Sie begrüßten mich lächelnd und freuten sich, mich zu treffen. So zumindest war die Wahrnehmung einer Freundin, die extra für meinen fünfundvierzigsten Geburtstag aus Madrid angereist war.

Ich wollte sie nicht enttäuschen und ihr verraten, dass Straßenbegegnungen in den kalten Monaten ganz anders aussehen können. Oft haben wir keine Lust, uns Hallo zu sagen, aus Mütze und Schal herauszublicken oder die Hand aus der Tasche zu nehmen, um jemandem zu winken. Und das ist okay. Aber mir kommen gerade auch plötzlich alle enthusiastisch vor.

Zu Recht: Den Juli finde ich am allerschönsten und nicht nur, weil ich meinen Geburtstag im Hochsommer feiern darf (in meinem Herkunftsland ist es im Winter). In Madrid sei es im Juli so heiß, dass man manchmal, zum Beispiel an den Hundstagen, bis zum Sonnenuntergang nicht rausgehen kann. Deshalb gehören Siesta und Klimaanlage zum Alltag.

Also fühlt sich meine Freundin in Berlin wohl. Vielleicht zu wohl, als ob etwas nicht stimmt, erklärt sie, als wir über den Wochenmarkt am Herrfurthplatz mit Blumensträußen in der Hand spazieren und immer wieder hier und da für Smalltalk angehalten werden. Sie denkt an den 90er-Jahre-Film „The Truman Show“, in dem die Hauptfigur in einer glücklichen Welt lebt, die es eigentlich nicht gibt.

„Nicht alle mögen mich“, erwidere ich und erzähle von einer kleinen Dame, die mir stets aus dem Weg geht und sich vor mir versteckt. Plötzlich steht sie uns mit ihren Latex-Handschuhen, Mütze und Sonnenbrille gegenüber und verschwindet schnell hinter einem Baum. Ich weiß nicht, warum sie Angst vor mir hat, aber meine Freundin ist erleichtert, dass hier doch nicht alles perfekt ist. Luciana Ferrando

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