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berliner szenenMehr Schiffbruch als Party

Den state of the art Neuköllns konnte man am Mittwoch an dem Gebiet zwischen Boddin- und Reuterstraße ablesen. Da wurde ein abgesagtes Konzert im Loophole flugs in die 300 Meter entfernte Tennis Bar verlegt, die sich auf einen ruhigen Abend eingestellt hatte. Es ist Workers-Choice-Wednesday, das Bier kostet 2 Euro. Die Kellnerin zapft schaumige Gläser, die sie Mu­si­ke­r:in­nen und umquartierten Gästen hinstellt, während unten jemand hext und den Keller in Schuss bringt. Keine Stunde dauert es, bis „Indiscreet Jewels“ auf der Bühne stehen, ein Mann in Trollmaske Töne aus der falschen Seite des Saxofons presst. Der Tontechniker indes, der normalerweise hinter dem Mischpult des Loopholes steht, bedient bedrückt das Soundtablet.

Denn der state of the art lässt sich in Neukölln gerade eher mit Schiffbruch als mit Party umschreiben. Das Loophole, das sich immer wieder mit Razzien und Anwohnerbeschwerden konfrontiert sah, muss wohl endgültig schließen. Fehlende Genehmigungen, sagt ein als Ordnungsamt verkleideter Polizist auf dem Bürgersteig vor der Bar, während er und wir durch die Scheibe seinen Kollegen dabei zusehen, wie sie das Personal vernehmen. Seit 2009 bestand das Loophole, Bar und Experimentierfeld, in dem beinahe täglich Konzerte, Film- und Kunstformate stattfanden. Einen Raum mit weniger Sauerstoff als in der sweat box des Loopholes musste man suchen in Berlin, vergleichbare Line-ups aber auch.

Dass die Luft dünner wird für die Verteidiger von Subkultur, ist kein Geheimnis. Die Loophole-Betreiber:innen sammeln aktuell Spenden für Anwaltskosten und schauen sich nach einem neuen Ort um. Wo der sich finden wird in einer Stadt, in der viele Konzerte nur noch in semilegalen Kontexten über die Bühne gehen können, ist fraglich. Julia Hubernagel

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