berliner szenen: Der Regen aus der Dusche
Als ich die ersten Wassertropfen spüre, sitze ich auf der Toilette. Ich schaue hoch zur Decke, da trifft mich ein Tropfen ins Auge. Ich wische ihn weg und betätige die Spülung. Zu meinen Füßen bildet sich eine Pfütze. Ich fluche vor mich hin, leise, damit niemand wach wird. Meine Familie schläft gerne länger am Wochenende. Doch wem nützt es, die Launen des Alltags flüsternd zu verwünschen? Muss es nicht ungestüm geschehen, um zumindest den schwerhörigen Göttern, die für den Berliner Altbaubestand zuständig sind, die Dringlichkeit der Angelegenheit kundzutun?
Sogleich schießt mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Wie sage ich es meiner Hausverwaltung? Die hatte erst im vergangenen Monat einen Handwerker vorbeischicken müssen, weil die Toilettenspülung ihre Dienste verweigerte. Es war nur eine kleine Reparatur. Der Abfluss der Dusche über uns ist ein anderes Kaliber. Seit Jahren kommt es zu unerwarteten Regenfällen in unserem Toilettenraum. Inzwischen tropft es nicht mehr, das Wasser strömt durch ein Loch in der Decke, das sich im Laufe der Zeit gebildet hat.
Ich laufe los und hole zwei Eimer. Strategisch gut aufgestellt, kann ich mithilfe der beiden Behältnisse die Überschwemmung erst einmal bändigen. „Was machst du da?“, durchfährt es mich plötzlich von hinten, „mit wem redest du die ganze Zeit?“ Meine jüngere Tochter schaut mich verschlafen an. Ich zeige auf den niedlichen Niagarafall in der Decke. „Ach je, schon wieder!“, sagt sie und kehrt um, ohne mir ihre Hilfe anzubieten. „Ich geh dann mal duschen“, höre ich sie noch sagen, bevor sie in der Küche verschwunden ist.
Unsere Dusche befindet sich in einer kleinen Kammer neben der Küche. Die hat unser Vormieter dort auf eigene Faust eingebaut, mit der gab es noch nie ein Problem. Henning Brüns
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