berliner szenen: Dann doch lieber ins Rheinland
Die beiden alten Patientinnen sind sich einig: Der beste Krankenpfleger der Station ist Matheus. Allein wie er ihr Bett manövriert, wenn er sie zur Untersuchung nach unten fährt. Niemals stößt er auf den engen Fluren irgendwo an, nie werden sie durchgerüttelt. Selbst wenn er sie in den schmalen Lastenaufzug schiebt, weil der große dauerbesetzt ist. Und beim Warten erzählt er sogar noch lustige Geschichten aus Brasilien. Abends zieht er ihnen – ruckzuck! – die Stützstrümpfe an, und die Thrombose-Spritzen spüren sie bei ihm gar nicht.
Auch Polina, die angehende Pflegehelferin, ist angetan von Matheus. Er zeigt ihr, was sie noch nicht kennt, und spricht dabei so deutlich, dass sie ihn gut versteht. Anfangs war ihre größte Sorge, dass sie auf der Station für dumm gehalten wird, wenn sie nachfragt, weil jemand zu schnell redet oder nuschelt. Dabei kennt sie die meisten Aufgaben schon aus der Ukraine. Als Karina neu dazukam, hat sie ihr gleich geraten, sich an Matheus zu halten. Karina spricht zwar schon ziemlich gut deutsch, aber in der Pflege kennt sie sich gar nicht aus, es ist ihr erstes Praktikum im Rahmen des Medizinstudiums. Matheus bleibt freundlich, er kennt alle Details, auch dass bei türkischen Patienten besonders der Chefarzt beliebt ist, Doktor Ak. Manche verehren ihn richtig: ein Landsmann als Professor.
Matheus wird die beiden alten Damen nur noch kurz betreuen. In Berlin hat er zwei Jahre lang keine Wohnung gefunden und auch keinen Kontakt zu Deutschen. Er zieht ins Rheinland. Ein paar Mal hat er Freunde dort besucht, und schon fühlte er sich mittendrin. Sein Mietvertrag ist bereits unterschrieben. Lesson to learn: Wenn sich die Alteingesessenen nicht mehr Mühe geben mit den Neuankömmlingen, dann können sie demnächst selbst ihr Krankenbett schieben. Claudia Ingenhoven
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