berliner szenen: MaerzMusik Junior in der Remise
Mein Wunschfilm im Kino, dessen Name im Dunkeln momentan als „Kino Internati“ leuchtet, hat leider schon begonnen, und woandershin ist mir zu weit. Ich bleibe im Kiez. Spontanbesuch bei den Nachbarn. „Wir haben jetzt ein Schlagzeug“, eröffnet mir der Fünfjährige, und während die Eltern mich noch begrüßen, steht für ihn schon fest: „Wir gehen rüber.“ Dreifaches Okay von uns Erwachsenen, jedoch will der Kleine nur mit mir losziehen – auch das nicken wir ab, und, zack, sitzt er draußen im Go-Kart mit Blaulicht, prescht zur Remise, schließt ihn am Clematisgitter an. Mich erwartet eine wilde Mischung aus Partykeller und Kuriositätenkabinett; hier ragt die Hand einer Schaufensterpuppe unterm Druckstapel hervor, aus der Vitrine des Ebenholzbuffets äugen kleine Cocktail-Giraffen, vorm Sofa schlängeln sich Feuerwehrschläuche, drüber prangt eine Flugsardine, im Regal Flaschen, randvoll mit Himbeersirup. Der Kleine setzt gelbe Ohrschützer auf. „Jetzt kommt ein Konzert“, ruft er. Kurz hält er inne, dann holt er mit den Sticks weit aus, schlägt auf die Snare Drum, einmal, doppelt, dann reihum, Tom-Toms, HiHat, Floortom …, laut, mit kurzen Pausen, in denen er beeindruckt ist von seinem Spiel, beseelt.
Die Pausen verdichten alles und machen mir’s begreiflich, er trifft die Rahmen, extra oder zufällig, tritt aufs Basspedal, verfehlt’s, tritt in aller Ruhe nach, cooler Effekt. Steht da in der Kälte in seinem dicken, noch zu großen Anorak, schlägt mit glühenden Augen die Trommeln in eigener Komposition, singt dazu. MaerzMusik Junior! Faszinierend. Poetisch. Toll.
Dann ein kleiner Aufschrei: sein versehentlicher Schlag auf den Zeigefinger. Blutet. Spurt nach Hause, Mama, Pflaster. Als es um den Finger ist, sag ich: „Künstlerpech!“ Das Wort kennt er nicht. Aber mag’s schon jetzt.
Felix Primus
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