berliner szenen: Mama, du musst jetzt ins Bett
Mama, lass mich jetzt mal, das geht gar nicht!“ Eine vielleicht Dreizehnjährige stampft mit dem Fuß auf und knallt die Tür der Umkleidekabine hinter sich zu. Die Mutter guckt genervt in ihr Handy, setzt sich dann auf die Lehne einer der Sessel vor den Umkleidekabinen und fängt an, sehr bewusst ein- und auszuatmen. Ohm, denke ich. Einkauf mit Pubertierenden. Ich sitze im Sessel nebenan und warte auf J., die ein paar Jeans anprobiert. Es ist langweilig, weil sie sich nicht zeigt.
Ich gucke die Frau neben mir an. Sie trägt Leopardenboots, eine orangefarbene Hose, ein pinkes Oberteil und ihre Haare im Dutt. Sie sieht aus wie eine Mutter, mit der man gut klarkommen müsste. Sie guckt mich nun an und rollt die Augen. „Haben Sie Kinder?“
Ich nicke. „Sie sind schon groß und aus dem Haus.“
Die Frau sagt erstaunt: „Ach, das ist ja wundervoll. Ich kann es kaum erwarten.“ Ich muss lachen, obwohl ich es irgendwie fies finde, so etwas vor den Kindern zu sagen, aber na ja. Sie sagt es so schön verzweifelt, dass es schon wieder lustig ist. Die Tochter ruft auch direkt aus der Kabine: „Das habe ich gehört!“
„Ja, das solltest du auch“, ruft die Frau zurück und zwinkert mir zu. „Wenn ich mich beschwere, sollst du es ja hören. Es ist nämlich anstrengend mit dir, weil du so rumzickst.“
Die Tochter ruft: „Oha, noch so’n Ding, und ich koche die nächsten Tage nicht und die Wäsche kannst du auch voll vergessen.“ Die Mutter sieht mich an wie: Was soll man dazu sagen. Ich überlege verwirrt, ob sie das Verkehrte-Welt-Spiel spielen wie wir früher. Da sagte mein damals 7-jähriger Sohn mal zu mir: „Du musst jetzt ins Bett, Mama. Und ich esse die ganze Nacht Chips und Süßigkeiten. Du musst aus deinem Bett zuhören, aber darfst nichts abhaben, weil du schon Zähne geputzt hast.“ Isobel Markus
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