berliner szenen: Das Gras auf der anderen Seite
Der Frühling ist ausgebrochen. Die Sonne scheint, und hinter dem Fenster des Busses wird es so warm, dass ich meine Jacke öffne. Ich fahre zu einer Freundin, und weil die S-Bahn nicht verkehrt, muss ich die Strecke von Schöneberg nach Zehlendorf mit dem Bus zurücklegen. Bus fahren hat etwas Betuliches, finde ich. Man wird durch die Gegend kutschiert und sieht währenddessen viel von der Stadt.
Hinter mir sitzen zwei Frauen und unterhalten sich über eine Nachbarin der einen. „Nachdem sie mir erst jahrelang ihre Hundedecke über der Terrasse ausgeschüttelt hat und wir bei Wind die Hundehaare beim Essen auf unseren Tellern hatten, lässt sie jetzt ihren Hund in meinen Vorgarten pinkeln.“ „Ist nicht wahr?“, sagt die andere. Sie klingt entsetzt. „Was hat die denn für Probleme?“ „Keine Ahnung“, seufzt die Erste, „aber ich hab es echt satt. Satt wegen solcher Leute im Haus und satt, ganz unten zu wohnen.“
„Versteh ich voll“, sagt die andere, „aber ich sag dir, in Neukölln oben ist auch kein Spaß. Unten wird direkt in den Hausflur gepinkelt, sodass man beim Vorbeigehen immer die Luft anhalten muss, weil es wie in einem öffentlichen Pissoir stinkt, und oben auf dem Balkon kacken mir die Tauben alles voll.“ Die Erste sagt: „Ach Mann, und ich denke immer, oben ist alles besser.“ „Nee, auch nicht, ist wie mit dem Gras auf der anderen Seite.“
Es ist kurz still, dann sagt die Erste irritiert: „Hm, versteh ich jetzt nicht.“ „Na, dieses Sprichwort: Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Kennst du das nicht?“ Die Erste fängt an zu lachen und sagt: „Ach so, und ich dachte schon, du meinst das andere Gras und bist unter die Kiffer gegangen, jetzt wo es legal ist.“ „Na ja“, meint die andere da trocken: „Wenn es hilft, Pisse und Taubendreck zu ertragen, werd ich vielleicht noch zur Kifferin.“ Isobel Markus
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