berliner szenen: Im Klub der Rücken-Menschen
Manchmal habe ich heftig Rückenschmerzen. Das kann dann ein paar Tage dauern und ich muss mich anders bewegen. Langsamer, weniger ruckartig. Sonst, zack, haut mir eine unsichtbare Hand mit Wucht in die Seite. Einmal hatte ich mal wieder so eine Rückenschmerzphase und ich fuhr U-Bahn. Beim Ausstieg bewegte ich mich womöglich zu schnell. Vielleicht war ich in so einem grundlosen Hektikmodus, den ich manchmal hab. Jedenfalls, als ich aus der U-Bahn stieg, zack: Die unsichtbare Hand peitscht mir in die Seite. Instinktiv mein Griff dorthin, das plötzliche Stehenbleiben, der schmerzverzerrte Blick.
In dem Moment ging eine Frau den Bahnsteig entlang. Sie lächelte wissend und fragte im Vorbeigehen, ob ich eine Schmerztablette brauche. Ihre Reaktion sagte mir: Sie weiß, wie es mir geht, sie kennt das. Ein Mensch mit Rückenschmerzen, sie auch. Es war, als ob man in einem Klub wäre, wo sich Mitglieder durch nonverbale Signale erkennen. Ich antwortete nur: „Danke, habe welche im Rucksack.“ War vielleicht so was wie eine verbale Klubformel.
Als ich mal bei einem Orthopäden war, dachte ich, er fragt mich, was ich beruflich mache, um die Schmerzen zu kapieren. Und er forderte mich auf, mich mal so und dann wieder anders hinzustellen. Doch wenn ich mich recht erinnere, tippte er nur was in den PC und sagte, dass ich stärkere Tabletten brauche. Sein Drucker spuckte gefühlt hundert Rezepte aus, für Tabletten über Fangopackungen bis zu Akupunktur. Ich fühlte mich überfordert und suchte mir nur ein paar Sachen aus dem bunten Physio-Pharma-Strauß aus. Vielleicht war der Arzt im Hektikmodus. Bestimmt nicht grundlos, in so einer Praxis ist ja oft viel Stress. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, der Arzt war nicht in meinem Klub.
Giuseppe Pitronaci
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