berliner szenen: Es regnet Herzen, trotz allem
Ich möchte nicht geliebt, ich möchte gefahren werden! Gelbe Herzen mit leicht manipulativem Marketingslogan machen noch lange keine U-Bahn, möchte ich der BVG meinen Standpunkt als langjährige Zwangskundin (noch nie ein Auto gehabt, zum Fahrradfahren zu faul) verklickern. Jetzt. Von Mensch zu Mensch. Aber es ist ja niemand da im U-Bahnhof Leopoldplatz, der mich an- und erhört. Die Kundschaft ist auf sich allein gestellt und wartet. Denn die U6 kommt erst in 14 Minuten. Am helllichten Montagnachmittag.
Hinter mir grüßt ein gelbes Plakat und bewirbt das von der BVG initiierte BVG-Musical „Tarifzone Liebe“. Ob die wohl den Admiralspalast wenigstens ansatzweise vollkriegen, denke ich und bekomme irgendwie Mitleid. Das geht so weit, dass ich mir beim Warten auf die U-Bahn sogar überlege, ein Ticket zu kaufen. Und völlig baff bin, weil es längst ausverkauft ist. Aber es gibt ja den Live-Stream, sagt mir die BVG-Webseite. Auf einmal bin ich irgendwie gespannt auf dieses Musical. Und so schalte ich den iPad um kurz vor sieben ein. Minute um Minute vergeht, im Chat türmen sich hämische Kommentare, weil nix passiert. Aber dann öffnet sich der Vorhang und da steht erst mal ein sprechender Fahrkartenautomat in Originalgröße völlig allein auf der Bühne und gibt „Fahrausweisheiten“. U-Bahn, Bus und Tram kommen auf Rollschuhen dazu. Die Musik ist okay. Die Kostüme sind ziemlich genial. Die Bühnenshow ist gut. Es ist ein Marketing-Musical, und trotzdem bin ich gerührt, weil es im Gewand einer Liebesgeschichte zwischen Tram und Mensch ziemlich aufrichtig den BVG-Alltag aus der Sicht der Kundschaft und der MitarbeiterInnen thematisiert.
Der Chat füllt sich mit roten und gelben Herzen. Das Publikum vor Ort applaudiert stehend. Die BVG hat es geschafft: Wir lieben zurück. Trotz allem. Katja Kollmann
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