berliner szenen: Die Alten sind noch analog
Letzte Woche verließ ich vollgepackt den Aldi am Prager Platz, als mein Blick bei einer Pflanze hängen blieb. Es war ein palmenartiger Drachenbaum, etwa 20 Zentimeter groß, der knappe fünf Euro kostete. Warum hatte ich dieses Pflanzenregal bloß nicht vor meinem Aldi-Einkauf entdeckt? Vielleicht hätte ich dann nicht so viel eingekauft, um diese Pflanze auch noch mit nach Hause schleppen zu können. Jetzt hatte ich aber links und rechts zwei volle und vor allem schwere Tüten – vorwiegend gefüllt mit Äpfeln und Karotten für meinen neuen zentrifugalen Entsafter – in den Händen und eben keine mehr frei für diesen hübschen und echt günstigen Drachenbaum. Als ich gerade überlegte, wie ich diese Pflanze vielleicht doch noch irgendwie transportieren könnte, etwa unter meinen Arm geklemmt, sprach mich ein alter Mann an mit schlohweißem Haar und einem Softeis in der Waffel. „Was ist denn das für eine Pflanze?“, fragte er mich und zeigte dabei mit seinem Softeis auf den Drachenbaum, den ich gerade anhimmelte.
Während ich ihm den Namen des Baumes mitteilte, fiel mir auf, wie selten ich inzwischen von Unbekannten angesprochen werde, weil fast alle alles Unklare mit dem eigenen Smartphone klären. Ich schaute nachdenklich zu dem alten Mann, der dann meinte: „Ach so, so eine Pflanze hab ich auch zu Hause und ich frag mich jedes Mal, wenn ich sie gieße, wie sie überhaupt heißt.“ Fast hätte ich ihm den Tipp mit einer App gegeben, mit der man über die Kamera herausfinden kann, um welche Pflanze es sich handelt, aber dann ließ ich es sein, einerseits, weil ich unsicher war, ob er ein Smartphone besitzt, und andererseits, weil es eigentlich ja ganz schön ist, wenn zumindest noch einige alte Menschen im Analogen leben und Leute nach dem Weg fragen oder eben nach dem Namen einer Pflanze. Eva Müller-Foell
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