berliner szenen: Die glückliche Pfütze
Sonntag früh, auf dem Weg zum Café. Heute muss ich aufmachen. Kasse an, Kaffeemaschine an, Möbel zurückstellen. Die komischen Menschen, die sonntagmorgens um acht schon am Start sind, bedienen. Und vorher noch die lange U-Bahn-Reise, von den ganzen Feierzombies umgeben. Nicht dass ich das Tanzen die Nacht durch nicht für schön, kathartisch, wichtig halte. Aber mein tagtäglicher Schlafmangelhorror ist schon überfordernd genug, ich muss mit meinem Rhythmus wirklich keine Experimente machen. Die glückseligen Partybriten beneide ich schon. Ihre Gesichter sind vom noch übrigen Babyspeck und von ihren aufgekauten Backen ganz entzückend rund, und ihre Glieder verschmelzen ineinander in eine kollektive Pfütze auf dem schmutzigen Boden. Ich weiß, wie aufregend und besonders das Berliner Nightlife für sie ist. Ich selbst bin in einer langweiligen südenglischen Kleinstadt aufgewachsen. Ein Klub, der später als um drei aufhat und was außer Hitparade klingen lässt – das habe ich erst in Berlin erlebt.
Für den Fahrkartenerwerb habe ich mich heute entschieden – die Schlaflosigkeit erschafft sowieso einen nervösen Zustand. Die Bahn hört man schon rattern, die glückliche Pfütze am Gleis arrangiert sich wieder langsam in individuelle Menschenformen, ich gehe zum knallroten Entwerter herüber. Die Pfützenköpfe wenden sich alle zu mir. Entwerter gibt es nicht in britischen Bahnhöfen: Mittlerweile werden die meisten Reisen mit Handy bezahlt.
Ich füttere den Entwerter mit dem kleinen Stück Papier. Die Pfützenmenschen sind ganz still und erwartungsvoll. Klick. Das Papier wird gestempelt. Die Pfütze harmonisiert mit einem langen, ganz vergnügten Seufzer, die Bahn hält an, und eine Tür öffnet sich genau an ihrer Stelle. Ich gönne es ihnen. Nina Kashi Street
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