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berliner szenenDie Welt ist jetzt eine andere

Das war es schon?“ Der Mann, den ich für einen Transport von einem Ende der Stadt ans andere bestellt habe, zeigt ungläubig auf den alten Sekretär zu meiner Linken. Ich nicke. Er lädt den Sekretär ein, gurtet ihn an, legt eine alte Decke über ihn und bedeutet mir, vorne einzusteigen. In der Fahrerkabine öffnet er eine Thermoskanne und fragt: „Kaffee?“

Wir fahren schweigend an bunt gestrichenen Altbauten vorbei durch Friedrichshain, dann weiter auf die Straße des 17. Juni. Kaffee im Plastikbecher mit Panoramablick aus der Kabine erinnert mich an meine jugendlichen Tramp-Abenteuer. Nostalgisch bemerke ich: „Das scheint ein schöner Job.“ Der Fahrer seufzt und erklärt auf Englisch: „Es geht. An manchen Tagen mache ich gleich vier Umzüge und dadurch Stunden. Heute bist du meine einzige Kundin.“ Er erzählt, dass er in Syrien Jura studiert habe: „Ich wollte immer Anwalt werden.“ Als der Krieg begann, habe er kurz vor dem Abschluss gestanden: „Ich wollte um jeden Preis noch die Prüfungen ablegen.“ Kurz darauf aber seien die Kämpfe erst in seine Stadt, dann in sein Viertel gekommen.“ Da sei ihm klar geworden: „Wer überleben will, muss gehen.“

In Deutschland, erzählt er, hätte er wieder bei null anfangen müssen: „Das Rechtswesen ist ganz anders.“ Dazu sei die Sprachbarriere gekommen: „Erst jetzt würde ich mir zutrauen, auf Deutsch zu studieren. Aber von vorn zu beginnen, würde zu lange dauern. Das kann ich mir nicht leisten. Ich muss meine Familie unterstützen. Deshalb nun die Transporte.“ Es sei zwar nicht, was er sich vorgestellt habe: „Aber die Welt ist jetzt eben eine andere. Wenigstens bin ich mein eigener Chef und niemand gibt mir Befehle.“

Er schenkt sich einen weiteren Kaffee ein: „Willkommen in meinem fahrenden Wohnzimmer.“

Eva-Lena Lörzer

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