berliner szenen: Wiedersehen am Kanal
Zwischen zwei Autos auf der Ohlauer Brücke sitze ich und warte auf sie.
Die Brücke ist voller Menschen, die Bier trinken, Picknick machen oder den Sonnenuntergang und die Schlauchboote im Wasser des Kanals mit ihren Handys fotografieren. Andere Menschen, die Gassi gehen oder nach Geld fragen, laufen an mir vorbei.
Sechs Monate lang hörten meine alte Freundin und ich nicht voneinander, einen Grund dafür gab es nicht. Als sie ankommt, umarmen wir uns wie immer.
Wir beginnen unseren gemeinsamen Abend nicht mit der Frage: „Wie geht es dir denn?“ Wir versuchen auch nicht, zumindest nicht sofort, uns alles zu erzählen, was in dieser Zwischenzeit geschehen ist.
Sie sagt, sie habe viel geweint, bevor sie zu mir losgegangen sei, und das erkenne ich auch auf den ersten Blick. Sie ist ein bisschen blass, als wäre ihr Gesicht von Tränen gewaschen worden, von ihrer gewöhnlichen Ausstrahlung ist in diesem Moment nicht viel zu erkennen.
Das macht mir schon Sorgen und ich sage es ihr. „Was ist los?“, frage ich. Es gehe um Arbeitsstress und Druck, um Beziehungsfragen, um das Leben im Allgemeinen. Sie sagt, es sei nicht schlimm, weinen tue manchmal gut. Ich stimme ihr zu.
Dann essen wir die zwei Stücke Pizza, die sie mitgebracht hat, und unterhalten uns über alles Mögliche, bis es langsam dunkel und kälter wird.
Bevor wir uns verabschieden, sieht ihr Gesicht so aus, wie ich es in Erinnerung habe: die Augen glänzen, die Grübchen sind wieder da, wenn sie lächelt, es ist alles wie sonst bei ihr, ein Gesicht voller Licht.
Das finde ich erleichternd. Ebenfalls finde ich erleichternd, dass wir uns zum Abschied nicht versprechen, das Treffen bald zu wiederholen, sondern uns nur gute Nacht und schöne Träume wünschen. Luciana Ferrando
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