berliner szenen: Eine Lösung ist schon in Arbeit
Wenn der Zug so leer wäre wie meine Geldbörse, dann hätte ich jede Menge Platz. Leider ist der Zug überfüllt. Es ist Sonntagabend und Berlin ruft. Um mich herum stehen dicht gedrängt Wochenendler auf dem Heimweg. Viele haben schwer beladene Räder dabei. Nicht wenige auch ihre Kinder. Die Kinder sind tapfer. Sie jammern nicht. Die Erwachsenen schlagen sich nicht alle so gut. Bei manchen lässt die Laune arg zu wünschen übrig.
Ich höre nicht hin. Nach einem entzückend sommerlichen Tag wird mir bewusst, die wahre Realität ist eine andere. Die Stunden in der Märkischen Schweiz boten nur eine vorübergehende Zuflucht. Der Rücksturz in die Großstadtreviere reduziert die flüchtige Existenz wieder auf ein handfestes Maß.
Auf die Frage an die arme Zugbegleiterin, die mit unglaublicher Geduld ihrer Arbeit nachgeht, warum ausgerechnet am Sonntag nur ein Wagen bereitgestellt wird, statt wie unter der Woche immer zwei, erhalten wir die erschöpfte Antwort: Die VBB bedient nur den Berufsverkehr mit zwei Wagen. Wie kann das sein, frage ich mich mit den Umstehenden. Hat der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg kein Interesse am Ausflugsverkehr? Sind Ausflügler weniger wert? Wir diskutieren.
„Das Problem gibt es schon eine Ewigkeit“, behauptet eine Frau, die mit ihrer Tochter auf dem Boden hockt. „Dann ist eine Lösung bestimmt schon in Arbeit“, ruft ein Mann neben mir. Manche lachen, andere schauen gequält. Derweilen schwitze ich und sehe mit dem Schweiß auf meiner Haut die Zeit verrinnen.
Eine kleine Gruppe von Pendlern aus Polen lässt sich ihre gute Stimmung nicht vermiesen. Ein Riese von Mann spielt leise Mundharmonika, die anderen singen. Da ist schon Lichtenberg. Na, das ging ja schnell, alles in allem. Henning Brüns
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