berliner szenen: Hertha, Union, Bibi und Tina
Es ist Samstagnacht und spät im M48er. Warum auch immer fährt die S-Bahn wieder nicht, also bin ich an die Potsdamer Straße gelaufen und in den Bus eingestiegen. Drinnen ist es voll. Ich stelle mich in die Ziehharmonika, dieses Gelenk längerer Busse. Viele Jugendliche stehen um mich herum. Sie tragen weiße Jeans oder Jogginghosen, haben alle die gleichen schräg umgehängten Hip Bags, sehen in ihre Handys oder hören Musik. Kaum schließen sich die Türen, beginnt ein Mann im vorderen Teil des Busses zu singen: „Ohhh BSC, blau-weiß eh und je, man nennt sie die alte Dame, Hertha BSC, Berliner Sportclub, Liebe meines Lebens.“ Sein Gesicht ist rot, er ist betrunken, grölt einen Top-Hit nach dem nächsten und sieht sich dabei animierend um. Die Jugendlichen um ihn herum kichern oder verdrehen die Augen. Neben mir stehen zwei Jungs, die schon die ganze Zeit aufmerksam wie witternde Hunde in die Richtung des Sängers schauen. Kurz ist Pause, dann geht es wieder los: „Ohhhh BSC“.
Da sagt der Große zu seinem Freund. „Ey, da müssen wir jetzt aber, oder?“
Der guckt zweifelnd unter seiner Basecap hervor. „Los“, sagt der Große und dann fängt er an: „Eisern Union, immer wieder Eisern Union, immer weiter mit Eisern Union. Wir aus dem Osten geh’n immer nach vorn, Schulter an Schulter für Eisern Union.“
Sein Kumpel fällt ein, die anderen lachen, zwei Mädchen kreischen und schreien: „Wir singen gleich unseren Handballsong. Oder noch besser Bibi und Tina.“ Und dann singen sie Bibi und Tina. „Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina.“ Jetzt fangen auch andere an, irgendetwas zu singen. Es ist ein verrücktes Durcheinander, unterbrochen von Kreischen.
Als ich aussteige, fällt mit mir fast eine Frau aus dem Bus und sagt: „Hamdala, war das ein Konzert.“
Isobel Markus
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