berliner szenen: Eine Ohrfeige zu wenig
Ein Berliner Club, wummernde Bässe, ballernde Strobos und zuckende Körper, die sich zum DJ wie zu einem Altar hinrecken. Ich verlasse erschöpft die Tanzfläche und will in den nächsten Raum zur Hauptbar.
Während ich rausgehe, kommt mir ein Typ mit Glatze entgegen. Als wir uns im Türrahmen auf engem Raum begegnen, spüre ich plötzlich einen Griff: Ungläubig schaue ich an mir runter, er packt mir tatsächlich beim Vorbeigehen an die Brust. Dann ist der Moment vorbei, er dreht sich weg, geht weiter.
In mir setzt es richtig aus: Ist das gerade wirklich passiert? Fassungslos angesichts dieser Dreistigkeit wirble ich herum, packe seinen Arm und hole mit der anderen Hand weit aus: Knallend landet meine Handfläche in seinem verdatterten Gesicht.
Diese Ohrfeige hat gesessen – obwohl es die erste war, die ich in meinem Leben ausgeteilt habe. Er schaut mich fassungslos an, in seinen Augen kann ich erkennen, dass er wie ich eine Premiere erleben.
Völlig perplex murmelt er nur: „Die schlägt mich ja …“ Das reicht! Für den Satz hole ich erneut aus, und er kriegt noch eine gewatscht.
Während ich über eine dritte Ohrfeige nachdenke, macht er sich los und verschwindet in der Masse der tanzenden Menschen. Ich renne zur Bar, die zucken zu meiner Geschichte nur die Schultern, an der Kasse möchte mir auch niemand helfen.
Als ich nach langer Suche endlich über den Türsteher stolpere, laufen wir gemeinsam durch den Club auf der Suche nach dem Grapscher. Aber der ist inzwischen über alle Berge.
Vom Türsteher erfahre ich: Ich bin die dritte Frau an diesem Abend, die von so einem Übergriff berichtet.
Danke für nichts, denke ich zu dieser Clubpolitik. Und: Es war mindestens eine Ohrfeige zu wenig.
Julia Tautz
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