berliner szenen: Verwaiste Schalter bei der Post
Es ist Anfang April, und ich stehe in der Schlange vor den Postbankautomaten. Eigentlich wollte ich Kontoauszüge holen, aber nur einer der zwei Automaten funktioniert. Also für mich zumindest. Denn wegen einer „Systemumstellung“ können seit Jahresbeginn manche Kunden nur den linken Automaten nutzen, andere nur den rechten. Es gibt aber nur eine Schlange. Das ist schrecklich unerfreulich, wenn man nicht weiß, welchen der beiden Automaten man nutzen kann, wenn man dran ist. Geht man nach rechts und es klappt nicht, muss man sich quasi wieder hinten anstellen. Es nervt. Kontoauszüge kann ich auch noch nächste Woche holen. Und ich brauche auch noch Briefmarken.
Darum stelle ich mich in die Schlange vorm Schalter. Das geht meist erstaunlich schnell, heute nicht. Vor mir steht eine ältere Frau, die zu mir sagt: „Ich komme gleich wieder.“ Was sie wohl vorhat? Sie geht an der Schlange vorbei in die Filiale. Frustriert kommt sie kurz darauf zurück. „Ach, der Philatelieschalter hat ja zu. Das hatte ich vergessen.“ Dabei gibt es diesen Schalter schon seit letztem Jahr nicht mehr. Früher konnte man da ohne lange Warterei Briefmarken kaufen. Als ich sagen will: „Ziehen Sie doch eine Marke aus dem Automaten“, stelle ich fest, dass der Briefmarkenautomat, der schon monatelang defekt war, jetzt abmontiert wurde. Das ist nur konsequent, trotzdem ärgerlich.
Als ich bis in die Filiale vorgedrungen bin, gibt es eine neue Überraschung. Gegenüber dem verwaisten Philatelieschalter befindet sich ein Postbankschalter. Der ist in der Regel auch verwaist. Heute steht da ein Angestellter, bei dem man „Termine zur Postbankberatung“ vereinbaren kann. Niemand steht dort Schlange. Kleiner Tipp an die Post: Das würde sich schnell ändern, wenn er auch Briefmarken anbieten würde. Gaby Coldewey
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