berliner szenen: Konzert für Augen und Ohren
Lunchkonzert in der Philharmonie. Eintritt frei. Ich bin etwas früh dran. Dachte ich. Stattdessen ist das Foyer schon um 12.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Konzertbeginn, so voll wie nie. Die Stühle sind ausnahmslos eingenommen, auch die Steinstufen, und sämtliche Treppenaufgänge zum heute verschlossenen Konzertsaal sind besetzt. Nur eine schmale Passage muss jeweils frei bleiben, darauf achten die Freiwilligen vom Service.
Das Publikum ist auffallend gemischt, anders als bei den Abendkonzerten. Von Kindern im Grundschulalter bis zu ihren Urgroßeltern sind alle Altersgruppen vertreten. Manche haben sich an der Theke noch etwas zu essen bestellt, man riecht die Tortellini. Aber die meisten, vor allem die, die auf dem Boden sitzen, sind noch mit sich oder dem Smartphone beschäftigt. Die Stimmung ist entspannt. Trotzdem kehrt augenblicklich Ruhe ein, als das Polyphonia Ensemble zu spielen beginnt. Das Gewand der Flötistin leuchtet wie die in die Wand eingelassenen roten Glasbausteine des Künstlers Alexander Camaro. Mit jedem der kurzen Musikstücke kommt noch mehr Farbe ins Haus. Die meisten enden mit einem musikalischen Witz, vom Publikum mit vergnügtem Applaus aufgenommen. Jan Koetsier, nie gehört, diesen Namen. Aber als das Ensemble seine Komposition spielt, rätsele ich, ob ich diesen Ohrwurm in einem Film gehört habe. Oder als Variation in einem Popsong? Nach einer Dreiviertelstunde ist Schluss.
Ein Junge fragt ungläubig „Schon zu Ende?“ Ja, so wie angekündigt, ein Mittagsbuffet ohne Zugabe. „Am besten war das letzte Stück“, findet einer der jugendlichen Besucher, dem hätte er noch länger zuhören können. Sein Kumpel grinst. „Nur wegen der Frau im roten Kleid“, raunt er kaum hörbar. Er meint Frauke Ross, die Flötistin des Ensembles.
Claudia Ingenhoven
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