piwik no script img

berliner szenenGehstöcke zum Walk im Park

Gestern besuchte ich einen Schreibwarenladen in Schöneberg, um mir ein neues Notizbuch zu kaufen. Ich stöberte in den Regalen, überfordert von der Auswahl, hielt erst ein kleines Notizbuch mit braunem Lederumschlag und einem neongelben Lesezeichen in der Hand, dann ein etwas größeres mit neonblauen Rastern. Okay, offensichtlich trieb mich der Winter zu diesen knalligen Farben. Doch dann war da plötzlich dieses raumfüllende Gespräch zwischen einer jungen Verkäuferin, vielleicht Anfang zwanzig, und einer Kundin, die ich auf Ende fünfzig schätzte.

Als diese gerade zahlen wollte, sagte die junge Verkäuferin zu ihr: „Vergessen Sie Ihre Gehstöcke nicht!“ Dabei zeigte sie auf zwei Stöcke, die im Eingangsbereich an der Wand lehnten. „Na hören Sie mal“, entgegnete die Kundin, „das sind doch keine Gehstöcke! Das sind Nordic-Walking-Stöcke!“ Die junge Verkäuferin bat um Entschuldigung mit den Worten, dass ihre Oma ja auch so welche habe. Nicht die beste Entschuldigung, dachte ich, während ich noch ein drittes Notizbuch in Erwägung zog: ein rosa-blaues Büchlein im Flower-Power-Look. Auch das ein Indiz meiner Sehnsucht nach Frühling.

Während ich zwischen diesen drei Notizbüchern hin und her überlegte, meinte die Verkäuferin zur Kundin: „Ich weiß ja auch nicht, warum ich mir nicht merken kann, dass diese Stöcke Nordic-Walking-Stöcke heißen. Vielleicht liegt es daran, dass ich den hohen Norden nicht mit Bergen verbinde, für die doch die Stöcke gemacht sind, oder?“ Daraufhin erklärte die Kundin, dass sie mit diesen Stöcke keine Berge erklimme, sondern durch die Berliner Parks laufe. Kurz überlegte ich einzuwerfen, dass man sie auch einfach als Walking-Stöcke bezeichnen könnte, griff aber dann doch lieber schweigend zum Notizbuch mit den neonblauen Rastern.

Eva Müller-Foell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen