berliner szenen: 10 Euro ist viel zu billig
Ich biege aus der Lausitzer Straße rechts ab, um anschließend auf der Reichenberger gleich wieder in die Gegenrichtung zu wenden. Früher konnte man hier noch einfach links abbiegen. Früher war alles besser.
Doch auf dem von mir zur Wendeschleife umfunktionierten Mittelstreifen steht die Polizei und winkt mich heraus. Ich lasse die Fensterscheibe runter.
Der Beamte teilt mir mit, ich habe vor dem Stoppschild nicht komplett angehalten. Es habe an dieser Einmündung zuletzt vermehrt Unfälle mit Radfahrern gegeben. Ich könne gleich bezahlen, 10 Euro mit EC-Karte, dann sei das erledigt. Oder aber mit Rechnung, dann müsse er meinen Führerschein und Personalausweis sehen. Ich wähle die Kartenzahlung.
„Und möchten Sie etwas zu dem Vorwurf sagen?“
Da fällt mir eine Menge ein. Dass ich das Schild nie beachtet habe, eben gerade weil ich an dieser mir bekannten Gefahrenstelle (in die andere Richtung ist es mit einer Hecke als tödlichem Sichthindernis zwischen Straße und Radweg sogar noch schlimmer) jedes Mal wie ein Adler konzentriert nach Radlern und Fußgängern ausspähe und nicht nach Schildern.
Dass ich es jedoch im Prinzip sehr schätze, wenn eine Kontrolle mal zum Schutz und nicht zur Schikane der Radfahrer eingerichtet wird. Dass ich ja selbst fast immer mit dem Rad und kaum jemals mit dem Auto unterwegs bin. Dass ich, auch wenn es mir hier nützt, einen Tarif von 10 Euro für ein Verkehrsvergehen viel zu billig finde. Dass das typisch für Deutschland ist. Dass überall Anwohnerparkzonen eingerichtet werden sollten, für die die Plaketten dann aber richtig Schotter kosten, der dem ÖPNV zugutekommt. Und wer kein Anwohner ist: noch mehr Schotter und überall Parkscheinautomaten und Spielstraßen und Tempo 30.
Ich sage dann aber doch nichts. Uli Hannemann
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