berliner szenen: Jetzt geht’s um die Wurst
In der Schlange des Biergartens steht vor W. und mir eine italienische Familie. Vater, Mutter, Oma und zwei Jungs in dem Alter, in dem sie alle zwei Stunden so dermaßen Hunger haben, als hätten sie seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Pommes 6,50 Euro steht auf der Tafel mit den Gerichten und ich sage: „Bei den Preisen nehme ich nur Bier.“
„Die Brezel kostet jetzt auch schon 3,50“, bemerkt W. und fügt hinzu: „Willkommen in der Inflation.“
Die Familie vor uns diskutiert auf Italienisch, dann fragt der Vater auf Deutsch, was eine Wurst im Brot kostet. „6,50“, sagt der Mann hinter dem Stand.
„6,50 mit Pommes?“, fragt der Vater. Der Mann schüttelt den Kopf: „Nur mit Brot. Pommes und Wurst kostet 10,50.“ Der Vater meint: „Das ist aber sehr teuer, ja?“ „Da müssen Sie meinen Chef fragen“, sagt der Mann lakonisch. „Ich mach hier nicht die Preise.“
Der Vater diskutiert wieder mit seinen Söhnen, sie wollen auf jeden Fall beides. Seine Frau guckt, als sollte er sich mal nicht so anstellen, die Oma sagt, sie wolle nur Tee. Der Vater bestellt Wurst, zweimal Pommes mit Wurst, zwei Bier, einen Tee und zwei Cola. Der Mann nickt und sagt: „Macht 48 Euro.“ Der Vater seufzt, als es von hinten aus der Küche heißt, dass es nur noch eine Wurst gibt. „Hab nur noch eine Wurst“, sagt der Mann am Stand. Der Vater übersetzt, seine Jungs fangen direkt an zu streiten.
W. sagt trocken: „Jetzt geht’s hier aber um die Wurst.“ Der Mann hinter dem Stand und ich grinsen. Der Vater bestellt schließlich nur Pommes und keine Wurst.
Als wir dran sind, sagt der Mann am Schalter: „Wie wär’s mit ’ner Wurst?“ Wir müssen lachen. „Wir können uns nur Bier leisten“, sage ich. Der Mann schenkt uns das Bier aus: „So’n Bier ersetzt ja auch ’ne kleine Mahlzeit. Aber wenn das so weitergeht, sind wir bald alle Alkoholiker.“ isobel markus
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