berliner szenen: Fotos von den bunten Mülltonnen
An den Mülltonnen in unserem Hof steht ein junger Mann, den ich vorher noch nie gesehen habe. Er hat mehrere Tüten dabei und als ich mit meinem Abfall näherkomme, sehe ich, dass er die Deckel der verschiedenen Tonnen immer wieder aufklappt, hineinsieht und wieder zumacht, dann geht er zur nächsten Tonne. Hm, denke ich, werfe meinen Altpapiermüll in die blaue Tonne, das Plastik in die gelbe und den Restmüll in die schwarze Tonne. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er mich dabei beobachtet.
Ich sehe ihn an. Er nickt. „Hello, guten Tag“, sagt er. „Können Sie mir erklären?“, fragt er und zeigt auf seine Tüten und die Tonnen. „Ach so“, sage ich, zeige auf seine Tüte mit dem grünen Punkt Verpackungsmüll und erkläre: „Das ist Verpackungsmüll, der kommt in die gelbe Tonne.“ Er wirft die Tüte mit ernstem Gesichtsausdruck in die gelbe Tonne. Ich sehe in eine kleine schwarze Tüte und sage: „Biomüll kommt in die braune Tonne.“ Er nickt und wirft die Tüte in die braune Tonne.
„Und das hier ist Restmüll.“ „Restmüll?“, wiederholt er. Ich zucke mit den Schultern. „Eigentlich alles andere, das noch übrig bleibt, bis auf Papier, Flaschen und Batterien oder so.“ Er guckt verwirrt, dann sagt er: „The system is difficult“, und muss lachen. Er lacht richtig doll und schämt sich gleichzeitig dafür und entschuldigt sich. Ich muss mitlachen, weil er so lacht und mir alles plötzlich absurd vorkommt, diese ganze strenge Mülltrennerei und mein Vortrag darüber eben. Wir lachen und lachen.
„I come from Pakistan“, sagt er dann und wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. „We have garbage everywhere. I will take pictures and show my family.“ Und dann macht er Fotos von all den bunten Mülltonnen, fast auch noch von mir, und ich bin mir schon lange nicht mehr so deutsch vorgekommen. isobel markus
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