berliner szenen: Öl einkaufen und Schokolade
Im Supermarkt ist es voll und chaotisch. Eine Ansage ertönt: „Werte Kunden, wir bitten Sie, nur zwei Einheiten Öl und Senf pro Haushalt einzukaufen. Bitte zeigen Sie sich solidarisch mit anderen Kunden.“
Vor dem Regal mit den Ölflaschen öffnet ein junger Mitarbeiter Kartons auf einem Wagen. Die Leute nehmen ihm das Öl direkt aus der Hand. „Bitte nur zwei Flaschen“, sagt er zu einem Mann, der sich mit vier Flaschen aus den Kartons bedient hat. Der Mann nickt und verschwindet mit den Flaschen im Arm um die Ecke. Der junge Mann hält mir eine Flasche hin.
„Danke, ich suche Olivenöl.“ „Hier bitte einmal auf der anderen Seite“, sagt er. Später an der Kasse steht weiter vor mir der Mann von vorhin mit nur zwei Flaschen Öl. Ich frage mich, wo er die anderen Flaschen gelassen hat, stelle mir vor, dass er sie im Laden versteckt hat und später noch einmal wiederkommt, um sie einzukaufen.
Direkt vor mir ist eine Frau mit drei Kindern. Zwei Kleine, ein Mädchen und ein Junge, reden laut auf Ukrainisch, ein älteres Mädchen ist blass und still. Ich erinnere mich an die Berichte von den Bahnhöfen verschiedener Fluchtländer. Wie schrecklich still es sei, sagten die Berichterstatter*innen, trotz der vielen Kinder. Die zwei vor mir reden aufgeregt über eine Schokolade, die sie immer wieder anfassen. Ich verstehe nur Cookie Dough.
Als sie bezahlt haben, reißen die Kinder die Schokolade auf, bis die Größere ihnen die Tafel aus der Hand nimmt und Schokoladenrippen verteilt. Danach wird es still. Sie essen Schokolade.
Als ich dran bin, sehe ich, dass der Mann mit den Ölflaschen einer Frau hinter mir Zeichen gibt, dass er draußen wartet. Die Frau hat zwei Flaschen Sonnenblumenöl auf dem Band und ich überlege, ob sie eine Pommesbude haben. Es kann manchmal Gründe geben, so viel Öl einzukaufen. isobel markus
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