piwik no script img

berliner szenenBorschtsch aus der Ukraine

Ich stehe vor einem Späti in Oberschöneweide und tippe in mein Handy, um meiner Freundin zu sagen, dass ich schon früher da bin, während sich hinter mir ein Mann und eine Frau bei einer Flasche Bier über Putins Einmarsch in die Ukraine unterhalten. „Nee, is nicht mehr, wie es war, meinte ja auch der Herr Scholz, will man von ihm halten, was man will, aber da hat er mal recht“, sagt der Mann, der sich an der Wand des Spätis abstützt, während er abwechselnd einen Schluck aus der Flasche oder einen Zug von seiner Zigarette nimmt, die in einem Aschenbecher auf dem Tisch vor der Frau klemmt.

Danach streicht er sich jedes Mal über den Schnauzbart. Die Frau sitzt auf einem Plastikstuhl, hat eine lila Winterjacke an und ein kleines Bier vor sich und sagt: „Ja, da sind se sich jetzt mal einich, allesamt. Sonst gönnen se sich nich das Schwarze unter die Fingernägel, aber nu sind se alle wieder die besten Freunde.“ Er streicht sich gemächlich über den Schnauzer und brummt etwas.

„Ich weiß nur, mein Borschtsch war der beste in der ganzen Gegend, da kamen die Leute damals von überall zu uns und fragten nach dem Rezept. Nee, hab ich immer erzählt: Das issn ganz altes Rezept aus der Ukraine von der Oma der alten Nachbarin. Ist geheim. Und die“, sagt sie und hebt einen Finger, „hat schon damals immer gesagt, sie kommt aus der Ukraine.“

„Wo solln das gewesen sein?“, fragt er. „Na hier umme Ecke, damals. Das waren noch andere Zeiten.“Der Mann nickt und sagt: „Das waren noch andere Zeiten.“ Beide trinken einen Schluck und sinnieren so vor sich hin. Dann sagt sie: „Ich hab den schon so lange nicht mehr gemacht, aber willste nich mal zum Probieren kommen?“

„Zum Essen?“ fragt er. „Den Borschtsch?“ Sie nickt bestimmt. „Na klar. Son ukrainischer Borschtsch, da weißte dann, was los ist.“

Isobel Markus

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen