berliner szenen: Keine Wäsche, ihr Geister
Meine Freundin V. pflegt eine Tradition, die ich noch aus meiner eigenen Familie kenne. In den Rauhnächten von Weihnachten bis zum Dreikönigstag wird keine Wäsche gewaschen und schon gar keine frische Wäsche oder andere Kleidung aufgehängt. Es könnten sich darin böse Geister verfangen, die in den Rauhnächten bekanntlich auf wilder Jagd sind. Diese Geister würden, so gefangen, wütend werden, Wäschestücke stehlen, um diese im neuen Jahr als Totentuch für ein Familienmitglied mitzubringen. Daher war besonders das Waschen und Aufhängen von Bettwäsche strengstens verboten.
In meiner Familie brach ich mit dieser Tradition spätestens dann, als ich selbst zwei Kinder hatte, die gern zwischen den Jahren an Magen-Darm-Grippe erkrankten. Da wurden mir Geister jeder Art schnell egal. Die Waschmaschine stand nicht still, und in Ermangelung von Trocknungsplatz zog ich manchmal sogar Leinen durch die Zimmer, um die Wäsche aufhängen zu können. Vor allem Bettwäsche.
V. und ich lehnen an einem runden Stehtisch einer Bude, die Kaffee und Glühwein anbietet, und ich frage sie: „Aber wie machst du das? Du hast doch jetzt ein Kind. Ist das nicht nervig?“ V. zuckt mit den Achseln. „Klar ist das nervig. Ich wasche zwar alles vorher weg, aber es sind jetzt schon Berge von Wäsche.“ Sie lacht. „Ich weiß, es ist bescheuert, aber gehört irgendwie dazu.“ Eine Frau vom Nebentisch schaltet sich ein. Sie hält ihre dampfende Tasse mit beiden Händen, ihre Fingernägel sind neonpink und sie trägt eine ebenso grellpinke Mütze. „Das kenne ich auch noch von meinen Eltern“, sagt sie. „Aber da gibt’s echt 'nen genialen Trick.“ Sie grinst mit sehr weißen Zähnen. „Ach ja?“, fragt V. ehrlich gespannt. „Wäschetrockner ist das Zauberwort. Dann klappt's sogar mit den Geistern.“ Isobel Markus
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